Mülheim. . Das Direktmandat für den Bundestag löst dennoch SPD-Kandidat Arno Klare. FDP meldet sich beeindruckend zurück. Mehr als 10 Prozent für die AfD.
SPD und CDU haben bei der Bundestagswahl auch in Mülheim kräftig an Boden verloren, die SPD rutschte gar nach 60 Jahren erstmals wieder hinter die CDU. Derweil ist in der Ruhrstadt trotz zweistelligem Ergebnis nicht die AfD die große Gewinnerin, sondern die FDP, die wie „Phoenix aus der Asche“ mehr als wieder zu alter Stärke fand.
Gegen 21 Uhr stand fest, dass Arno Klare (SPD) den Wahlkreis geholt hat. Den Vorsprung konnte Astrid Timmermann-Fechter, obwohl noch einige Bezirke auszuzählen waren, nicht mehr aufholen.
CDU versammelte sich um 18 Uhr siegesgewiss
Siegesgewiss hatten sich gegen 18 Uhr im Rathaus die CDU-Mitglieder hinter dem Fernseher versammelt. Doch als die Prognose verkündet wird, ist niemanden zum Jubeln zumute und die Mienen verfinstern sich. Die Prognose bleibt deutlich unter den Erwartungen – auch in Mülheim verliert Timmermann-Fechter über vier Prozentpunkte. Ob es für die 54-Jährige reicht, die auf der Landesliste auf Platz 25 zwar deutlich besser abgesichert ist als vor vier Jahren, ist noch völlig offen und wird es auch die nächsten Stunden bleiben. Roland Chrobok drückt ihr aufmunternd die Schulter. Die Nachrichten gleichem einem Jo-Jo: Mal ist sie drin, dann rutscht sie wieder raus. Das komplizierte Wahlsystem mit Überhang- und Ausgleichsystemen macht es nicht einfacher.
Die 54-Jährige flüchtet sich in Humor, verweist auf ihr Glücksschwein, ein großes Plüschtier, das ihr Bernd Dickmann bei der letzten Jahr geschenkt habe. Da könne nichts schiefgehen. Um 21 Uhr ist klar. Gewissheit wird sie erst um vier Uhr morgens haben. . .
SPD-Kandidat Arno Klare meidet die Öffentlichkeit
Derweil taucht Gegenkandidat Arno Klare (SPD) erst gar nicht im Rathaus auf. Er hat sich auch noch drei Stunden nach Schließen der Wahllokale in seinem Wahlkreis-Büro an der Auerstraße mit Vertrauten verschanzt, will erst mal fern der Öffentlichkeit abwarten, wie sich die Direktwahl entwickelt. Eine Zitterpartie, am Ende hat er die Nase vorn, auch wenn am späten Abend nicht alle Ergebnisse vorliegen.
Um 18 Uhr bei der Präsentation der ersten Hochrechnung zogen im Rathaus fast alle lange Gesichter, als sie das Abschneiden der AfD registrierten, deren Mülheimer Vertreter dem Rathaus ferngeblieben waren, um privat zu feiern. Lediglich kurzer Jubel brandete bei der FDP und den Grünen auf. Die einen (FDP) konnten am Abend in Mülheim ein historisch gutes Ergebnis feiern, die anderen (Grüne) waren froh, zumindest im Bund nicht abgesackt zu sein, wie zuvor prognostiziert.
SPD rutscht gewaltig ab, die Vormachtstellung bröckelt
Das politische Erdbeben ereilte vor Ort die SPD. Zwischen 20 und 21 Uhr rutschte ihr Zweitstimmen-Ergebnis knapp hinter das der CDU, das hatte es zuletzt 1957 gegeben. Und es blieb so. Die SPD hat nach 60 Jahren ihre Vormachtstellung in der Ruhrstadt eingebüßt. Sie landete bei nur noch knapp mehr als 28 Prozent. „Das Ergebnis muss uns zu denken geben“, sagte Direktkandidat Arno Klare. „Wir müssen diese Partei neu erfinden, müssen offener, dialogbereiter werden.“ Die SPD müsse sich endlich zu jener „Werkstatt-Partei“ entwickeln, wie es Sigmar Gabriel schon vor Jahren vorgeschwebt sei. „Unsere Kommunikationsstruktur muss komplett überarbeitet werden, die Verzahnung zu den Bürgern muss enger werden.“
Markus Püll macht Regierungsfehler in Berlin für das schlechte Abschneiden der CDU verantwortlich. „Man muss die Bürger mitnehmen, Fehler einräumen und Probleme erklären“, findet er. Das sei etwa in der Flüchtlingspolitik nicht passiert. „Wenn bundesweit über eine Million CDU-Wähler zur AfD abwandern, müssen wir auch bei uns nach Fehlern suchen“, meint Püll.