Mülheim. . Verstärkt versuchen Gauner Senioren mit allerlei Strategien auszuplündern. Warnhinweise und Broschüren der Polizei liegen jetzt in Ämtern aus.

  • Vor falschen Polizeibeamten am Telefon warnt die Polizei die Bürger
  • Warnhinweise und Broschüren der Polizei liegen jetzt in Ämtern aus
  • Allein in der vergangenen Woche haben Gauner sechsmal versucht, Senioren zu betrügen

Allein in der vergangenen Woche haben Gauner mit verschiedenen Strategien sechsmal versucht, Senioren auszuplündern, darunter der Enkeltrick, ein falscher Handwerker und ein Polizist, der keiner war. Glücklicherweise in vier Fällen erfolglos, zweimal blieb es bei geringen Schäden.

Vor falschen Polizeibeamten am Telefon warnt die Polizei die Bürger immer wieder. Neu ist aber, dass diese Warnhinweise jetzt in schriftlicher Form auch in städtischen Ämtern ausliegen: Die Stadt Mülheim kooperiert als erste der beiden Städte mit dem Polizeipräsidium Essen/Mülheim und legt Infobroschüren sowie Warnhinweise des Landeskriminalamtes überall da aus, wo Bürgerkontakte stattfinden. An allen Infotheken in den beiden Rathäusern, im Bürgeramt und in der Bürgeragentur. „Wir sehen das als Service für die Bürger und sind daran interessiert, dass das Thema eine breite Öffentlichkeit findet“, betont Stadtsprecher Volker Wiebels.

Täter versetzen vor allem Senioren in Panik

Das scheint auch bitter nötig zu sein: Trickbetrüger denken sich immer schneller neue Legenden aus, um an die Wertsachen argloser Bürger zu kommen. Neben dem Wasserwerker-, dem Zettel- oder dem Enkeltrick wird zunehmend der Trick „falscher Polizist“ verwendet: Die Betrüger geben sich als Kripobeamte oder Polizisten aus, die vorgeben, das Hab und Gut von Bürgern schützen zu wollen, die gerade angeblich im Fokus von Einbrechern stehen. Die Täter versetzen nicht selten vor allem Senioren so in Panik, so dass diese ihnen Geld und Schmuck aushändigen im Glauben, dass es bei der Polizei in Sicherheit ist.

Besonders perfide: Die Täter „bearbeiten“ ihre Opfer stundenlang am Telefon. Im Display erscheint als Anrufer eine „Behördennummer“ oder gleich die Notrufnummer 110. Möglich ist das Einblenden jeder beliebigen Rufnummer im Display durch Telefonanbieter aus dem Ausland, weiß die Polizei. Diese Masche ist relativ neu und nimmt zu: Gab es im Jahr 2011 nur Einzelfälle, die angezeigt wurden, zählte die Polizei in diesem Jahr von Januar bis Juni schon 143 Fälle, zehn davon in Mülheim.

Die Dunkelziffer wird höher sein

Polizeikommissarin Sandra Steinbrock
Polizeikommissarin Sandra Steinbrock © Ulrich von Born

In 27 (Essener) Fällen wurden den Trickbetrügern von den Opfern auch Geld und/oder Schmuck ausgehändigt, in Mülheim blieb es in den angezeigten zehn Fällen beim Versuch. Doch das sind nur die Fälle, die der Polizei bekannt sind. „Die Dunkelziffer wird höher sein“, schätzt Polizeisprecherin Sandra Steinbrock, die aus Erfahrung weiß, dass die Versuche von Opfern eher angezeigt werden als vollendete Taten. Denn wer mag schon zugeben, dass er oder sie sich von den Betrügern womöglich telefonisch erst dazu verleiten ließ, das gesamte Vermögen von der Bank zu holen.

Die Opfer hätten dadurch schon „hohe Summe verloren“, sagt Polizeisprecherin Steinbrock. „Ein Telefonat ging sehr, sehr lange“, berichtet sie. „Das Opfer wurde richtig unter Druck gesetzt. Das sind ja gut geschulte Leute, die perfide und professionell vorgehen. Viele der Angerufenen können in einer solchen Situation keinen klaren Gedanken mehr fassen.“

Wenn die Polizei anruft, steht nie die 110 im Display

Die Polizei rät bei solchen Anrufen, sofort aufzulegen. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen“, rät Sandra Steinbrock. „Die Polizei fragt niemals am Telefon nach den Vermögensverhältnissen, nach Geld oder Wertgegenständen“, betont sie. Sollte so etwas wirklich einmal nötig sein, so bekomme man eine Vorladung in die Behörde. „Wenn die Polizei anruft, steht nie die 110 im Display“, sagt die Polizeisprecherin. Jeder dieser Betrugsversuche am Telefon sollte bei der Polizei gemeldet werden – und dafür ist die 110 da, sagt Polizeisprecherin Steinbrock.

Verbraucherzentrale rät zur Anzeige bei der Polizei

Die Verbraucherzentrale Mülheim kennt genug Fälle, in denen Bürger am Telefon zur Zahlung von angeblichen Schulden oder Gebühren gedrängt werden sollten. Falsche Polizisten waren bisher nicht darunter, aber angebliche Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Berlin oder auch die eines Rechtsanwaltsbüros, die die Bürger unter Druck setzen, weiß Christiane Lersch, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle an der Leineweberstraße 54.

Es habe auch schon Anrufer gegeben, die den Bürgern gegenüber behauptet hatten, die Verbraucherzentrale würde dieses Vorgehen bestätigen. Genannt wurden sogar Namen und Rufnummern von (echten) Verbraucherberatern, wo man sich angeblich rückversichern könne. „Die sind schon sehr gut vorbereitet“, kommentiert Christiane Lersch. Und offenbar auch sehr überzeugend.

Christiane Lersch berichtet, dass den Mülheimer Verbrauchern von Anrufern weisgemacht worden sei, durch die Teilnahme an Gewinnspielen seien Kosten entstanden. Oder Überführungskosten seien nun fällig geworden, weil das gewonnene Auto in der Türkei stehe.

Die Verbraucherschützer raten, nicht zu zahlen und zur Polizei zu gehen. „Wir müssen dann aber oft noch viel Überzeugungsarbeit leisten, damit die Leute wirklich nicht zahlen“, sagt Christiane Lersch. „Die Menschen sind total verängstigt.“ Auch sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Wer eine Bareinzahlung leiste, etwa über Western Union, habe keine Möglichkeit, dann wieder an sein Geld zu kommen, betont sie.