Mülheim. . Flächen reduzieren, Angebot verbessern und die Schließung eines bestimmten Friedhofs prüfen: Die Vorschläge im neuen Konzept sind umfangreich.
- Die Zahl der Wettbewerber um Bestattungen wird immer größer, warnen Experten im Friedhofsentwicklungskonzept
- Die Stadt muss Flächen reduzieren, ihr Angebot verbessern und schwach nachgefragte Angebote im Zweifel aufgeben
- Nur so könne sie konkurrenzfähig bleiben und die Gebührensatzung auf lange Sicht kostendeckend gestalten
So makaber es klingt, aber der Tod ist ein lukratives Geschäft. Allerdings nicht für die Stadt, die mit ihren Friedhöfen zwar keine Gewinne erwirtschaften darf, ihre Gebührensatzung aber dennoch kostendeckend halten muss. Was ihr nicht gelingt. Deshalb holte sie sich Hilfe. Ergebnis ist das Friedhofsentwicklungskonzept, das Dr. Martin Venne von dem Kasseler Fachbüro „Plan-Rat“ jetzt im Umwelt- und Energie-Ausschuss vorstellte. Und die darin enthaltenen Maßnahmen sind umfangreich; angefangen von Flächenreduzierungen über die Schließung eines gesamten Friedhofs bis zur Entwicklung einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit. Anders, so Venne, werde man der stetig steigenden Konkurrenz nicht gewachsen sein und auch die Gebührensatzung nicht ausgleichend gestalten.
Private Konkurrenz macht Druck
Rund zwei Millionen Euro liegt die Stadt jährlich unter dem, was sie einnehmen müsste, um sämtliche Kosten zu decken. Was wiederum daran liegt, dass sich der größte Teil der Verstorbenen mittlerweile einäschern lässt. Das reduziert den Platzbedarf auf den Friedhöfen, nicht aber den Pflegeaufwand. Der zweite Grund liegt in der Konkurrenz: Mittlerweile lassen sich viele der in Mülheim Verstorbenen nicht mehr hier, sondern in einer anderen Stadt bestatten - oder auf einem privaten Friedhof.
Private Anbieter drängten vor einiger Zeit mit individuellen Angeboten auf den Markt - mit Urnenwänden, Baum- und Waldbestattungen. Das setzte die Kommunen unter Druck, die auf ihren Friedhöfen immer größere Lücken klaffen sahen. Die sollen in Mülheim entweder erschlossen und umgewidmet oder zumindest pflegeleicht und damit kostengünstiger gestaltet werden. Was nicht so einfach ist. Allein der Anteil sogenannter kleinteiliger Überhangflächen nimmt auf den acht Friedhöfen rund 27,5 Prozent der Gesamtfläche ein. Auf diesen Grabfeldern besteht keine Ruhefrist und auch kein anderes Nutzungsrecht mehr, sie liegen aber so verteilt inmitten noch bestehender Grabflächen, dass man sie nicht zu einer großen und pflegeleichteren Fläche zusammenfassen kann.
Umwidmung in Holthausen?
Dagegen liegt der Anteil der Überhangflächen, die kurzfristig umgewidmet werden können, zum Bauspiel in Bauland, bei gerade einmal rund 2,4 Prozent. Fündig sind die Gutachter um Martin Venne auf dem Friedhof in Styrum geworden. Dort gebe es Flächen im westlichen und östlichen Teil mit einer Gesamtgröße von rund 17500 Quadratmeter, die man kurzfristig einer anderen Nutzung zuführen könne. Genauso wie auf dem Friedhof Holthausen. Dort sei seit 1957 kein Mensch mehr bestattet geworden. In diesem Fall sollte die Stadt nach Meinung der Gutachter eine komplette Schließung und Umwidmung des rund 5800 Quadratmeter großen Areals prüfen.
Großes Augenmerk legt das Gutachten auf das Bestattungsangebot. Pflegeleichter und ästhetischer soll es werden, unter anderem weiterhin mit Baumbestattungen, aber auch mit Bestattungshainen und hochwertigen Gemeinschaftsanlagen. So sollen die „Kunden“ von den privaten Anbietern weggelotst werden. Die legen laut Gutachten stetig nach, so dass die Stadt auch in ihren Trauerhallen und gekühlten Aufbahrungsräumen keine adäquate Auslastung mehr erreicht. Allein 33 Kühlräume gibt es zusammengefasst auf allen Friedhöfen. Die Auslastung lag zwischen 2012 und 2016 bei lediglich 2,6 Prozent. Um Kosten zu sparen, sollten wenig genutzte Kühlräume geschlossen werden, schlagen die Gutachter vor. Und auch bei den Trauerhallen solle die Stadt genau hinschauen.
Stadtrat soll im September entscheiden
Die Verwaltung muss sich unterdessen darauf einstellen, für ihre Friedhöfe und Bestattungsangebote in Zukunft fleißig die Werbetrommel rühren zu müssen. Durch die Öffnung des Marktes für private Anbieter gewinne die Öffentlichkeitsarbeit immer mehr an Bedeutung, so Martin Venne. Ein Budget stehe dafür aber überhaupt nicht bereit.
Die Stadt möchte das Friedhofsentwicklungskonzept nun im September mit einem Grundsatzbeschluss durch den Rat auf den Weg bringen lassen. Gezielte Maßnahmen sollen per Einzelbeschluss umgesetzt werden. Damit könne man schneller handeln, sagte die Leiterin des Amtes für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen, Sylvia Waage.
Laut Friedhofskonzept soll es auf dem Altstadtfriedhof kein anonymes Urnengrabfeld mehr geben. Damit solle das Grabstättenangebot der Besonderheit des Friedhofs angepasst werden. Die anonymene Urnebeisetzungen sollen dagegen auf den Hauptfriedhof verlagert werden.
Außerdem halten die Experten es für dringend notwendig, für Mitarbeiternachwuchs zu sorgen. Der Altersschnitt der Beschäftigten im operativen Bereich liegt bei rund 47, im Verwaltungsbereich bei gar 56 Jahren.