Mülheim. . Stavros Avgerinos lebt mit seiner Familie in der ehemaligen Schule von Ickten. Vier Jahre wurde an dem Denkmal von 1797 geplant und gearbeitet.

  • Ein Zahnarzt aus Oberhausen hat die ehemalige Schule in Ickten erworben und sanieren lassen
  • Die sechsköpfige Familie lebt dort mitten im Grünen und genießt die Idylle
  • Mit einem Architekten gelang es, rund 60 Prozent des alten Gebäudes von 1797 zu erhalten

Gibt es auch bei Häusern so etwas wie Liebe auf den ersten Blick? Gibt es. Stavros Avgerinos erzählt, wie er das erste Mal die ehemalige Schule von Ickten am Rombecker Weg 71 gesehen hat und in der ersten Etage aus dem Fenster blickte: „Ich habe gedacht, das kann doch nicht das Ruhrgebiet sein!“ Für ihn sei damals sofort klar gewesen: Das Haus will ich. Der gebürtige Grieche, der in Oberhausen eine Zahnarztpraxis betreibt, kaufte es, obwohl seine Frau zunächst gar nicht so begeistert war, wie sie gesteht. Es folgten vier harte Jahre.

Heute lebt das Paar mit seinen vier Kindern und einem Hund auf rund 400 Quadratmetern, umgeben von Mülheim, wo es vielleicht am schönsten ist. Nachbarn sind Bauern, Pferde, Grillen. „Ich wusste als Laie damals nicht, was auf uns zukommt“, sagt der Hausherr heute. Um 60 Prozent sei das Objekt letztlich teurer geworden als veranschlagt. Man sei in jeder Beziehung an seine Grenzen gekommen. „Und als wir fast fertig waren, stellten wir fest, dass die Bodenfette feucht ist.“ So musste auch jener Balken, der große Teile des Fachwerkhauses trägt, ausgetauscht werden.

Rückschläge gehörten zum Sanierungsalltag

Rückschläge gehörten zum Sanierungsalltag. Bis ins Detail wurde rekonstruiert. „Etwa 60 Prozent des ursprünglichen Hauses konnten am Ende erhalten werden“, sagt Thomas Hannemann, der Architekt, der sich auf Umbauten von älteren Objekten spezialisiert hat.

Erbaut wurde das Haus um 1797, ab 1843 diente es als Icktener Schule; Georg Klingenburg hat dort 38 Jahre als Lehrer gewirkt. Damals war dort auch eine Gemeinde- und Schulbibliothek untergebracht. Mehr noch: Klingenburg gründete 1859 in dem Haus einen literarischen Verein.

Am 30. März 1939 schloss Lehrer Karl Isenbügel die Schule, weil es immer weniger Schüler gab. Zuletzt waren es nur noch 15, wie Hans-Dieter Strunck in dem Buch „400 Jahre Schulgeschichte in Mülheim“ schreibt. Das Gebäude wurde verkauft an den Bildhauer Hermann Lickfeld, der dort Wohnung und Atelier hatte, er starb früh. Sein Sohn Prof. Karl Lickfeld übernahm das Gebäude. Zuletzt lebte ein Gärtner dort, von dem schließlich Avgerinos das Haus erwarb.

Die wechselvolle Geschichte des Hauses fasziniert

Es ist auch die wechselvolle Geschichte des Hauses, die die neuen Besitzer fasziniert. So gab es zum Beispiel oben im Dachboden eine Kammer, die zu einer Funkstation umgebaut war. Von dort sollen nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Funkverbindungen überhaupt in die USA, nach Japan und Neuseeland erfolgt sein, wie Pin-Zettel an der Wand verrieten.

Immer wieder hat der Architekt mit der Denkmalbehörde Gespräche geführt und verhandelt, um beiden Seiten gerecht zu werden – dem Denkmalschutz und den Bedürfnissen der Familie an ein modernes Wohnen mit Küche und zwei Bädern, mit einem zeitgemäßen energetischen und technischen Standard.

Wo sich einst der Klassenraum befand, ist heute die „Familienetage“ mit offener Küche, großem Essplatz und Wohnraum. Die hohen Fenster gab es schon zu Schulzeiten, heute profitiert die Familie davon. Das Innere des Hauses wirkt hell. Auch bei Hitze herrscht durch den Lehmputz ein angenehmes Raumklima. Hin und wieder schauen Wanderer zum Fenster rein. „Manchmal“, so der Hausherr, „sind Leute um die 90 Jahre darunter, die hier mal zur Schule gegangen sind.“

Die Familie hat das Haus puristisch eingerichtet

Die Familie Avgerinos hat das Haus puristisch eingerichtet. Wo immer es ging, blieb das Original erhalten. Auch die alte Schulglocke hängt noch an der Wand – und funktioniert. Ein Bauarbeiter habe sie bei den Umbauten entdeckt. In der oberen Etage haben die Kinder ihr Reich, und im Spitzboden darf gespielt werden. Traumhaft viel Platz.

Das Frischwasser beziehen sie über einen Brunnen, das Abwasser wird über ein Drei-Kammer-System gereinigt. Neben dem Gebäude hat der Hausherr sich einen Bauerngarten angelegt. Er mag das ländliche Leben und berichtet von dem Garten seiner Großmutter in Griechenland, wo er als Kind häufig gewesen sei. Dort habe er viel Platz zum Spielen gehabt, eben das wollte er auch seinen Kindern ermöglichen.

Die Abgeschiedenheit ist zu jeder Tageszeit spürbar

Die Abgeschiedenheit ist zu jeder Tageszeit spürbar. Früher fuhr noch ein Bus in die Gegend, heute nicht mehr. Zum Einkaufen geht es nach Kettwig, zur Schule fährt das Elterntaxi. Einen Nachteil sehen sie darin nicht. Stavros Avgerinos sagt, dass er sich jeden Abend nach der Arbeit auf sein Zuhause freue. Es sei, als fahre er in den Urlaub. Und seine Frau, die aus Zypern stammt, schwärmt inzwischen auch.