„Das ist ein Buch, was es so noch nicht gibt und das jeden interessieren dürfte, weil ja jeder irgendwann mal zur Schule gegangen ist und seine ganz persönliche Erinnerung daran hat“, sagt Mitautor und Layouter Hans-Dieter Strunck mit Blick auf das neueste Buchprojekt aus dem Arbeitskreis Spurensuche, dessen Mitglieder und Autoren sich regelmäßig in der Heinrich-Thöne-Volkshochschule treffen.

Tatsächlich hat der Arbeitskreis, der im Kulturhauptstadtjahr 2010 eine erste „Spurensuche“ zu den Mülheimer Straßennamen veröffentlichte, in dreijähriger Recherche- und Schreibarbeit ein ambitioniertes Projekt realisiert, das 400 Jahre Mülheimer Schulgeschichte dokumentiert. Die Autoren werteten dafür zum Beispiel alte Schulchroniken und Festschriften, Zeitungen, Schulakten und Jahrbuch-Beiträge aus.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Denn das Buch vereint rund 90 kompakte Schulportraits, die mit einer ausgewogenen Text-Bild-Mischung überzeugen. Erzählt wird auch die Geschichte von Schulen, die heute nicht mehr existieren.

Das historische Foto zeigt zum Beispiel Jungs, die anno 1914 die katholische Volksschule an der Bruchstraße besuchten. Die Schule wurde 1928 zur Mädchenschule und während der NS-Zeit zwischenzeitlich zur „Deutschen Gesamtschule.“ 1943 von Bomben beschädigt, konnte die Schule erst 1949 für den Unterricht wiederhergestellt werden. Zwischenzeitlich wurden die katholischen Volksschüler bei ihren evangelischen Nachbarn an der Bruchstraße und an der Aktienstraße unterrichtet. 1968, als die Volksschulen in Haupt- und Grundschulen aufgespalten wurden, musste die Schule mangels Schülermasse schließen und für Altenwohnungen Platz machen.

Solche und ähnliche Geschichten über Schulen und Schule im Wandel der Zeit kann man auch in den anderen Texten nachlesen. Das Klassenfoto aus Kaisers Zeiten zeigt auf den ersten Blick, was die in der Nachkriegszeit eingeschulten Autoren noch aus eigener Erfahrung kennen. Klassen mit 40 und 50 Schüler waren damals keine Seltenheit und Lehrer führten deshalb oft ein strenges Regiment. Dass es zu Urgroßvaters Zeiten deutlich mehr Schulkinder gab als heute wurde dem Spurensucher und pensionierten Grundschulrektor Eduard Növermann schlagartig bewusst, als er bei der Recherche erfuhr, dass allein die Evangelische Volksschule an der Duisburger Straße vor 1914 530 Schüler hatte und damit etwa ebenso viele, wie die anderen drei Volksschulen in Speldorf.

Überhaupt erleichtert die stadtteilorientierte Gliederung des umfangreichen Buches den Lesern, sich ein Bild über die Schulgeschichte in ihrem eignen Stadtteil zu machen und dabei auch ihr eigenes Schulleben nachzuvollziehen und in einen größeren historischen Zusammenhang einzuordnen.

So ging es auch der Spurensucherin Rosemarie Mink, die anfangs nur einen Beitrag über ihre eigene Schule, die Realschule Stadtmitte, schreiben wollte, „weil ich dort so viel für mein Leben mitbekommen habe.“ Doch je mehr sich Mink in die Geschichte der eigenen Schule vertiefte, „desto neugieriger wurde ich auf andere Schulgeschichten.“ Am Ende portraitierte sie deshalb neun Schulen.

Und weil es ja Menschen sind, die Schule machen, stellt die Spurensuche in 400 Mülheimer „Schuljahren“ auch interessante Lehrerpersönlichkeiten, wie etwa die Lehrer-Familie Heller, die als Pädagogen über vier Generationen zwischen 1764 und 1907 an Mülheimer Schulen unterrichteten. Nicht unerwähnt bleiben natürlich auch der Lehrer und Heimatforscher Wilhelm Klewer (1865-1932), der sich unter anderem um die Pflege der mölmschen Mundart verdient gemacht hat oder der legendäre Lehrer und Dichter Hermann Adam von Kamp (1796-1867), der mehr als 50 Jahre als Volksschullehrer tätig war und unter anderem das Gedicht: „Alles neu macht der Mai“ geschrieben hat.

Bemerkenswert fand Hans-Dieter-Strunck die Erkenntnis, „dass der Lehrerberuf in seinen Anfängen kein anerkannter akademischer Ausbildungsberuf und so schlecht bezahlt war, dass er nur nebenamtlich ausgeübt werden konnte.“