Mülheim. . Sechs Straßenbahen pro Stunde befördern 240 Fahrgäste mehr als nur vier im 15-Minuten-Takt. Mehr Fahrten auf Linie 133 bringt Entzerrung.
Warum sind die Straßenbahnen morgens beim 15-Minuten-Takt viel voller als bei einem Zehn-Minuten-Takt? Man braucht doch nur fünf Minuten länger zu warten. Warum gibt es diese Probleme mit überfüllten Wagen?, fragt ein Leser. Fahren Bahnen seltener, werden weniger Fahrgäste in dieser Zeit transportiert, lautet eine Antwort. Die Einzelheiten hat Sylvia Neumann von der Pressestelle der Mülheimer Verkehrs-Gesellschaft (MVG).
Technische Zahlen und Qualität
„Das Fassungsvermögen einer Straßenbahn ist unabhängig von der Taktung und technisch vorgegeben. Im Typ NF 2 (Mülheims neue Wagen) dürfen 168 Fahrgäste, im Typ NF6D (die älteren auf der Linie 112) 170 Fahrgäste befördert werden“, erläutert Neumann die Angaben der Hersteller. Diese Zahlen zum Fassungsvermögen seien technische Aussagen. Qualitativ sprächen „Nahverkehrsplaner von rund 120 Fahrgästen in der Hauptverkehrszeit (HVZ)“, die in eine Straßenbahn passten. Fahren beim 15-Minuten-Takt vier Straßenbahnen pro Stunde, können sie rund 500 Personen in 60 Minuten mitnehmen. Im Zehn-Minuten-Takt (sechs Bahnen pro Stunde) läge die Kapazität bei mindestens 720 Fahrgästen im gleichen Zeitraum.
Zu den Linienbussen hat Sylvia Neumann ebenfalls Zahlen. Auch dort zeigen sich Differenzen zwischen Herstellerangaben und tatsächlicher Leistungsfähigkeit. Ein Gelenkbus (drei Türen) schafft „laut technischer Aussage bis zu 146 Fahrgäste, qualitativ 100 Fahrgäste in der HVZ“, erläutert Neumann. In ihren Standardbussen sehen Hersteller bis zu 98 Fahrgäste, praktisch seien es 65 Fahrgäste in der HVZ. Das bedeutet: Eine Straßenbahn ersetzt zwei kurze Busse.
15 Prozent mehr Kapazität im Sommer
Im Sommer passen mehr Fahrgäste in Busse und Bahnen, weil sie dünnere Kleidung tragen. Werte japanischer Verkehrsbetriebe sprechen von etwa 15 Prozent mehr Sommerkapazität. Dabei gilt: Japaner quetschen sich immer mit Sardinenbüchsengefühl in Bahnen, was Deutsche als unangenehm empfinden, bei weniger Fahrten aber zur Regel wird und Einstiegszeiten verlängert.
Kann die Entzerrung des Schulbeginns helfen, Fahrgastmengen in der HVZ besser zu verteilen?“, fragte die Redaktion. „Theoretisch ja. Die Umstellung des Netzes nach Saarn hat z.B. (Zehn-Minuten-Takt mit Gelenkbussen auf der Linie 133) eine deutliche Entzerrung gebracht“, beschreibt Neumann die Erfahrungen. Zuständig für den Unterrichtsbeginn seien jedoch Mitarbeiter der Ämter für Schule und Verkehrswesen. Die MVG hat ihre Ideen dazu bereits mit der Stadt erörtert. Auf städtischer Seite „wäre eine gutachterliche Begleitung des Themas denkbar“.
Bleiben HVZ-Spitzen ein unlösbares Problem? „Nein“, antwortet Neumann. „Es gibt in Mülheim lediglich eine morgendliche HVZ-Spitze, die Nachmittagsstunden sind fließend. Hier macht sich der Ganztag-Unterricht an den Schulen bemerkbar. Allerdings endet der Unterricht nicht überall gleichzeitig. Hier wirkt sich auch wieder die Umstellung der Linie 133 im Bereich Saarn aus.
Flexiblere Startzeiten bringen kaum Entlastung
Vor allem auf der Linie 102 sind die Bahnen beim 15-Minuten-Takt morgens ständig überfüllt. Mit zwei Extra-Touren je Richtung versucht die MVG das zu lindern. Trotzdem haben Bahnen oft Verspätungen und Fahrgäste müssen stehen bleiben.
Dass flexiblere Arbeits- und Unterrichtszeiten das Fahrgastaufkommen gleichmäßiger verteilen, sieht die MVG skeptisch: „Wir gehen davon aus, dass das Fahrgastaufkommen gleich bleibt, es sich auf andere Zeiten verschiebt.“