Unter dem Motto „Miteinander statt nur nebeneinander“ feierte die Nachbarschaft amHans-Böckler-Platz ein buntes Quartiersfest.
- Zum ersten Mal fand auf dem Platz zwischen den Hochhäusern ein Quartiersfest statt
- Tenor der Bewohner: Sie sind mit der Wohnqualität zufrieden
- Früher allerdings habe es an Sauberkeit und Sicherheit gehapert
„Waka Waka – This Time For Africa“ – der Song von Shakira dröhnt über den Hans-Böckler-Platz: Eine Gruppe von Kindern des Familienzentrums Fidelbär singt laut mit und tanzt auf der Bühne. Es herrscht ausgelassene Stimmung beim Quartiersfest am Hans-Böckler-Platz zwischen den Hochhäusern am Forum. Junge und ältere Besucher genießen den Nachmittag, plaudern oder schauen sich die Darbietungen auf der Bühne an.
Nachbarschaftliche Stimmung
Die Stadtteilgruppe Stadtmitte im Netzwerk der Generationen hatte am Sonntag gemeinsam mit den Kooperationspartnern der Service-Wohnungsvermietungs- und Bau GmbH (SWB), der Pia-Stiftung für integrierte Stadtentwicklung und dem Verein Pariaktiv erstmals zu dem Fest am Hans-Böckler-Platz eingeladen.
Die Hochhäuser mitten in der Innenstadt prägen seit Jahrzehnten das Stadtbild Mülheim. Ein benachteiligtes oder abgehängtes Quartier? „Keineswegs“, meint eine türkische Bewohnern. „Ich wohne jetzt seit knapp 20 Jahren mit meiner Familie hier und liebe die nachbarschaftliche Atmosphäre“, erklärt Esma Üzrek. Die 54-Jährige hat ihre Kinder hier groß gezogen, sie lobt den hohen Komfort, etwa den modernen Waschkeller, die Aufzüge und den tollen Service von Seiten der SWB. So sieht es auch Beate Gottwald, sie wohnt in Haus Nummer 7 und ist seit zwei Jahren aktiv im Netzwerk der Generationen tätig: „Die Häuser sind viel besser als ihr Ruf. Es ist multikulturell und zentraler geht's nun wirklich nicht. Was mir besonders gut gefällt, sind die Sauna, das Solarium und das Schwimmbad. Wo hat man sowas denn sonst?“ Sie steht vor der Bühne, klatscht zu dem Auftritt der Kinder, und schwärmt weiter. „Wissen Sie, wenn man von ganz oben durch die großen Fenster auf die Stadt schaut, dann ist das ganz toll.“
Bezirksbürgermeister Arnold Fessen steht vor der Bühne und blickt aus einer anderen Perspektive zu den Häusern – von unten. Ja, sie seien nicht gerade von Schönheit geprägt. Er räumt ein, dass man aus politischer Sicht heutzutage strukturell einiges anders machen würde.
Lob an die Arbeit der Bewohner
Aber er lobt die emsige Stadtteilarbeit, vor allem derjenigen, die es direkt betrifft und die dort leben. Bewohner wie Heinz-Dieter Schnapka zum Beispiel. Der ehemalige Feuerwehrmann steht bei Moderator Jörg Marx, Sozialplaner der Stadt, und berichtet, wie sehr ihm an einem aktiven Miteinander gelegen sei. Aktive gegenseitige Hilfe sei für ihn ein wichtiger Baustein für ein soziales Zusammenleben, man bekomme immer etwas zurück, wenn man sich für andere einsetze, ist Schnapkas Erfahrung.
Ein Familienvater erinnert sich aber trotz der positiven Stimmen, dass es früher einmal ganz anders ausgeschaut habe: „Bevor die Kinder hier ihren eigenen Spielplatz bekamen, war es total dreckig und heruntergekommen.“ Dies bestätigt auch Beate Staudinger. Die Leiterin vom Fidelbär arbeitet seit 34 Jahren in der Kita am Hans-Böckler-Platz und hat so einiges miterlebt. Das Negative habe früher überwogen, heute zählen viele Kleinigkeiten. Die Seniorenbänke, die zur Rast beim Stadtbummel einladen, seien ein gutes Beispiel dafür. So kämen auch aus den umliegenden Straßen Passanten vorbei und würden ein paar Minuten verweilen.
Alle Beteiligten waren sich einig: Das Motto „Miteinander statt nur nebeneinander“ bei der Woche der Nachbarschaft habe seinen Zweck absolut erfüllt.
Auch an der Geflüchtetenunterkunft am Klöttschen wurde die Nachbarschaft gefeiert
Es regnet am Freitagabend zum Nachbarschaftsfest der Geflüchtetenunterkunft am Klöttschen, und doch tanzen die Männer und Frauen vergnügt vor ihren Holzbauten zu schallendem Orientpop. Viele von ihnen können zumindest heute die Not vergessen, die sie zur Flucht getrieben hat. Bis Deutschland für sie eine Heimat wird, ist allerdings noch ein Weg zu gehen.
Auch wenn der Besuch der Unterkunft aus der Eppinghofer Nachbarschaft noch etwas zögerlich scheint, ein weiterer Schritt zur Integration ist mit dem Fest schon unternommen. Und sicher nicht der letzte, sagt Andrea Reuschel vom Kommunalen Sozialen Dienst (KSD): „Für uns sind die Vereine und Initiativen im Viertel ein wichtiger Ankerpunkt und Zugang zu den Anwohnern. Wir sind gut vernetzt.“ Der Eppinghofer Bürgerverein, die Caritas, das Netzwerk der Generationen, die Gruppe „dichterFilz“ und das Stadtteilmanagement haben das Mitmach-Fest mit den Bewohnern der Unterkunft gestaltet. „Das war unkompliziert, jeder hat etwas aus seiner Landesküche mitgebracht.“
Seit Oktober 2016 ist der Ort von Geflüchteten bewohnt. 110 sind es derzeit, sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Iran. Für 240 ist die kleine Siedlung mit ihren zweieinhalb Zimmer-Wohnungen ausgelegt. Das Verhältnis zu den Anwohnern im Umfeld verbessere sich weiter, sagt Reuschen, „die Gitter um die Anlage hatten anfangs manchen abgeschreckt, weil sie an eine Kaserne erinnerten“. Sie seien aber an der verkehrsreichen Straße wichtig, um besonders die kleinen Kinder zu schützen.
Auch gab es zum Jahresende einen Vorfall, bei dem ein Mann aus Afghanistan eine Frau in der Unterkunft attackiert haben soll – allerdings sei das nur ein einzelner Vorfall gewesen, betont Reuschen: „Es ist so ruhig hier, dass mich mancher Nachbar fragt: Wohnen dort überhaupt Menschen?“
Ja, einer von ihnen ist Mortaza Sultani. Der Mann aus Afghanistan ist vor 20 Monaten mit seinem Bruder nach Deutschland geflüchtet und wartet noch auf seinen Asylantrag. Die Flucht war schwer, „heute geht’s mir aber gut“, sagt er. Denn in Richtung Integration hat Mortaza große Fortschritte gemacht. „Ich habe schon zwei Praktika machen können, jetzt will ich eine Ausbildung als Metzger anfangen. Ich hoffe, das klappt.“
Auch die 17-jährige Aynaz Sayyael Rezaie Nejael aus Iran schaut zuversichtlich nach vorne. 24 Monate ist sie mit ihrer Familie in verschiedenen Unterkünften unterwegs gewesen – langsam stellt sich „Lagerkoller“ ein: „Es ist schwer zu dritt in den kleinen Räumen. Wir haben alles im Iran zurückgelassen.“ Jetzt aber erhielt die Familie die Bestätigung ihres Asylantrags: „Ich freu mich“, sagt die 17-Jährige. Für die Zukunft hat sie sich ein hohes Ziel gesteckt: „Ich möchte gerne Polizistin werden und etwas für die Gesellschaft tun.“