Mülheim. . Ruhr River aus Mülheim und Papa Binnes aus Berlin – zwei Jazz-Bands, einst getrennt durch die Mauer. Eine Freundschaft im Niedergang der DDR.

Dies ist die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die vor 29 Jahren begann. Eine Freundschaft über die gefährlichste Grenze des Kalten Krieges hinweg. Papa Binnes und Ruhr River, zwei Jazz-Bands, getrennt durch die Mauer, verbunden durch die Musik.

„Wenn die Mauer jemals fallen sollte, dann spielen wir ein Konzert zusammen in der Todeszone.“ Das haben sie sich in den Anfängen geschworen. Wenn Manfred Mons heute daran zurückdenkt, schwingen die Emotionen deutlich in der Stimme des 76-jährigen Mülheimers mit. Freitag wird er seine alten Freunde wiedersehen, bei einem Sonderkonzert des Jazzclubs.

Als einzige West-Gruppe eingeladen

„Kennengelernt haben wir uns 1988.“ Liebevoll streicht Mons, mit den Händen über die Zeitungsausschnitte, die er in Klarsichtfolien aufbewahrt hat: Ankündigungen für das Dixieland-Festival in Dresden. Als einzige West-Gruppe war die Ruhr River Jazzband aus Mülheim eingeladen. Der Posaunist erinnert sich gut an die Vorbereitungen zur Fahrt, die Bürokratie, die Grenze, die strengen Kontrollen der Stasi beim Festival. Situationen des Unbehagens, in denen die Mülheimer Gleichgesinnte fanden: „Wir kamen ins Gespräch mit anderen Musikern. Meistens draußen, denn da konnte man frei reden“, erzählt Mons.

Manfred Mons erinnert sich an den Auftritt der Ruhr River Jazzband am 10.11.1989 in Dresden. Die Zeitungsausschnitte hat er alle aufgehoben.
Manfred Mons erinnert sich an den Auftritt der Ruhr River Jazzband am 10.11.1989 in Dresden. Die Zeitungsausschnitte hat er alle aufgehoben. © Oliver Müller

So lernten die Jazzer die Ost-Berliner Papa Binnes Jazzband kennen, erfuhren von den Sorgen im langsam kriselnden Arbeiter- und Bauernstaat. Noch im gleichen Jahr begründeten sie einen Austausch: „Mit Unterstützung der damaligen Oberbürgermeisterin haben wir die Jungs rausgekriegt und zum Konzert zu uns nach Mülheim geholt. Das war kompliziert . . .“ Manfred Mons schüttelt gedankenversunken den Kopf. „Nun ja, verlieren wir uns nicht in Details.“

Keiner konnte mehr an Musik denken

Es ist der zweite Teil des Austauschs, den der 76-Jährige seinen Lebtag nicht vergessen wird. Das war Anfang November 1989. Der Monat, in dem sich alles verändern würde. Am Dienstag, dem 10., hatten die Mülheimer einen weiteren Auftritt in Dresden. Erst in der Nacht war die Maueröffnung bekanntgegeben worden. Die frohe Kunde verbreitete sich überall. Mons schmunzelt. „An Musik war da kaum noch zu denken.“

Am Folgetag sollte die Reise weitergehen nach Ost-Berlin: zur großen Feier, bei der die Freunde von Papa Binnes ihr 30-jähriges Bandbestehen begehen wollten. Mit dem Bus voller Instrumente, Gepäck und einem Fässchen Mölmsch als Geschenk fuhren Mons und seine Kollegen in die Hauptstadt. „Sechs, sieben Kilometer vor Berlin waren auf dem Mittelstreifen schon ganz viele Trabis abgestellt. Die Leute stiegen aus und liefen alle in eine Richtung.“ Nach Westen.

Erinnerungen lösen Gänsehaut aus

Ruhr River und die Papa Binnes hatten doppelt Grund zu feiern. Es war der Tag, an dem sie wussten, dass ihrer Freundschaft fortan nichts mehr im Wege stehen würde. Bei der Wiedervereinigung ein Jahr später lösten die Jazzbands ihr Versprechen ein. „Das Konzert in der Todeszone.“ Manfred Mons blickt gedankenversunken auf seine Unterarme. „Gänsehaut.“