Mülheim. . Ägidius Strack koordiniert seit sechs Jahren die Sanierung von Schloss Broich. Der Herzenswunsch des Rösrather ist es, dass dieser Ort später Geschichte lebendig werden lässt.

  • Grünes Licht für die Sanierung der Turmfragmente im Innenhof
  • Am Tag des Denkmals leitet Strack Führingen am Nachmittag
  • 200 Kubikmeter neue Steine geordert und 120 Badewannen Mörtel injiziert

Ägidius Strack steht gestikulierend mit Bauleiterin Stefanie Kaiser und zwei Arbeitern hoch oben im Gerüst an der Außenmauer von Schloss Broich und begutachtet ein Stück Mauer. „Ich bin begeistert, wie sie das gelöst haben“, stellt der Schloß-Sanierer zurück auf sicherem Grund strahlend zur Begrüßung von Inge Kammerichs fest. Die MST-Chefin begrüßt ihn mit einer guten Nachricht. Es gibt endlich grünes Licht für die Sanierung der Turmfragmente im Innenhof, dem historischen Kern aus karolingischer Zeit, was seine Begeisterung noch steigert. Da kann es dann im kommenden Jahr weitergehen.

Seit drei Jahren ist dieser Kern notdürftig gesichert, nachdem wiederholt Steine aus diesem wichtigen Zeugnis der Vergangenheit herausgefallen waren und man um den Bestand bangen musste. „Es war wirklich besorgniserregend“, erinnert er sich. Einfach wird es nicht, dort auf beengtem Raum zu arbeiten. Die Fragmente werden ebenso erhalten wie die Mauerreste aus den 60er Jahren, die dort unter der Regie des ersten Sanierers, Günther Binding, angelegt wurden, der für seine Leistung mit dem Ruhrpreis ausgezeichnet wurde. „Sie zu entfernen maße ich mir nicht an“, sagt Strack, für den gerade die Veränderungen, die das Gebäude im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat, reizvoll sind.

Es war besorgniserregend

Er empfindet es schon als Ehre, an einem derart wichtigen Projekt mitwirken zu können, wie er später beiläufig feststellt. Ein schöner Ausklang seiner beruflichen Laufbahn. Der Rösrather hat die Drachenburg saniert, im Aachener und im Altenburger Dom gearbeitet, aber das Mülheimer 4,3-Millionen-Projekt ist ihm doch eines der liebsten.

Er lässt sich vom Geist des historischen Gemäuers begeistern, versteht es aber auch, seinen Enthusiasmus auf seine Zuhörer zu übertragen. Am morgigen Tag des Denkmals wird er am Nachmittag bei Führungen die Interessierten sicherlich mitreißen.

Der 62-Jährige koordiniert die Schloß-Sanierung inzwischen seit sechs Jahren, zwei weitere wird das Projekt wohl sicherlich noch dauern. Er betreibt die Aufgabe mit Akribie, von vielfältigen Erfahrungen gespeister Sachkenntnis, großer Lust und detektivischem Spürsinn. Nicht umsonst nennt Kammerichs ihn einen Glücksfall für die Stadt.

Oft muss man auch genau hinschauen. So haben sie an dem Umlauf an der Befestigungsmauer eine später zugebaute Nische entdeckt. Auf den ersten Blick sieht die Mauer nach dem 19. Jahrhundert aus für den promovierten Naturwissenschaftler, der auch Paläontologie, also die Lehre des Lebens in früheren erdgeschichtlichen Phasen, studiert hat. Zur genaueren Datierung müsse man noch den Mörtel untersuchen. Eine Ruhebank, um die Aussicht zu genießen, wird das hier aber nicht gewesen sein. Er geht von einer Schießscharte für den Verteidigungsfall aus, die hier zum Vorschein komme, wenn man weitere nachträglich eingefügte Steine entferne.

Stracks Ziel ist es nicht nur, die historische Substanz bewahren. Sicher, das ist sein Auftrag. Seine Mission ist es aber, Geschichte lebendig zu machen. Deutlich zu machen, dass man mit der Geschichte des Gebäudes auch Stadt- und Wirtschaftsgeschichte herleiten kann. „Hellweg, Ruhrfurt und die Notwendigkeit, die Handelswege zu sichern – kein Mensch kann heute die Zusammenhänge erahnen“, sagt er. Diese Dinge sind ihm eine Herzensangelegenheit. Er findet es beachtlich, zu was für Bauleistungen die Menschen früher fähig waren, ohne über die modernen Hilfsmittel zu verfügen und das auch noch in der Bedrängnis.

120 Badewannen voller Mörtel

Auf der Wiese zwischen Schloss und Europa-Pavillon türmen sich Steine. Es ist neuer Ruhrsandstein, der marode Steine ersetzen soll. 200 Kubikmeter neue Steine wurden schon geordert und 120 Badewannen Mörtel injiziert. Hier wird um jeden Stein gerungen. An der vom wuchernden Efeu befreiten Mauer sind einige Markierungen zu erkennen. Hier ein gelbes Fragezeichen, dort ein gelbes X. Mit einer Mächtigkeit von deutlich unter 20 Zentimeter sind sie zu dünn. 40 bis 60 Zentimeter seien nötig. „Der Stein mit dem Fragezeichen hat noch eine Chance. Der mit dem Kreuz kommt raus“, erklärt er. Der sei zusätzlich gerissen. Die Entscheidung fällt bei den Baubesprechungen. „Das Team ist perfekt“, freut sich Strack. „Das fängt bei der Bauherrin an, geht über die Bauleiterin des Ingenieurbüros Schwab-Lemke Stefanie Kaiser bis hin zu den Polieren der ausführenden Firmen.“ Auch der Kontakt zur Denkmalpflege sei sehr konstruktiv. Wichtige Entscheidungen würden gemeinsam getroffen.

Immer wieder gibt es Rätsel: Der Turm, der gerade eingerüstet und saniert wird, heißt auf den Plänen nur Scheifharke. „Am Anfang hat sich ja niemand die Blöße gegeben und zugegeben, dass er nicht wusste, was das bedeutet“, erzählt Strack. Es könnte ja ein Fachbegriff sein. Erst, als er sagte, dass ihm der Begriff unbekannt sei, stimmten die anderen zu. Inzwischen hat Heinrich Hartling vom Geschichtsverein eine plausible Erklärung geliefert. Der Begriff kommt aus dem Mölmschen und heißt einfach, schiefe Ecke. Ist auch nicht rechtwinklig dort. Vielleicht gibt es für eine Inschrift eine ähnlich einfache Antwort. Auf einem Stein sind die drei Buchstaben IMV und die Jahreszahl 1807 in den Stein geritzt, die allerdings mit zwei Strichen in der Mitte unterbrochen ist. Ein Steinmetzinitial, wie es an Unikaten, aber nicht an Mauern üblich ist?

Zum Schluss zeigt Strack eine 15 mal 7 Meter große Fläche, wo die erste Mauerschicht abgetragen wurde. Dahinter verbarg sich ein rostendes Stahlgitter aus einer früheren Sanierung. „Gut gemeint, aber rostender Stahl dehnt sich um das Siebenfache aus und sprengt den Stein“, erklärt er. Es gibt noch viel zu tun. Finanzielle Untersetzung ist dabei nötig und willkommen. Weitere Infos: www.schloss-retter.de