Mülheim. Es sind meist Koproduktionen, die das Programm des Ringlokschuppensausmachen. Leiter Matthias Frense gibt einen Ausblick auf Kommendes.
Während in der Sommerpause im Ringlokschuppen einige Theatergruppen probten, konnte das Stammteam im Urlaub durchatmen. Spätestens mit seinem Bericht zur Lage des Hauses im gestrigen Kulturausschuss ist für den Chef der Alltag eingekehrt. Darüber und über das kommende Programm spricht Matthias Frense im Interview mit dieser Zeitung.
Wie ist es wirtschaftlich um den Ringlokschuppen bestellt?
Matthias Frense: Wirtschaftlich sind wir voll im Soll. Die Bilanz für 2015 ist genau so ausgefallen, wie wir es geplant haben: Wir haben einen Überschuss von gut 146 000 Euro gemacht, um Schulden zu tilgen. Das minutiöse Controlling, das wir eingeführt haben, funktioniert. Jetzt sind wir froh, uns wieder mehr den Inhalten widmen können. Die Basis ist geschaffen und darauf können wir viele schöne Projekte planen.
Ein kleiner Ausblick?
Frense: Wir haben einen Riesen-Strauß an tollen Theaterarbeiten. Die Bundeskulturstiftung hat uns ins Doppelpass-Programm aufgenommen. Das heißt, wir sind jetzt mit zwölf anderen Häusern in Deutschland in der Residenz-Förderung, was uns noch einmal zusätzliche Möglichkeiten verschafft mit einer Gruppe zu arbeiten, die wir schon einige Jahre kennen: Das Theaterkollektiv EGfKA (Europäische Gemeinschaft für Kulturelle Angelegenheiten), eine Gruppe, die im Rahmen der Fatzer-Tage 2013 eine intelligente und berührende Inszenierung entwickelt hat, die später in Bochum, Berlin und sogar in Athen gezeigt wurde. Es sind sehr sozial engagierte und kluge junge Theaterleute, die professionelle Schauspieler in ihrer Gruppe haben, u.a. Matthias Kelle, der lange am Bochumer Schauspielhaus gespielt hat. Mit denen sind wir gerade in den Planungen für 2017.
Der Ringlokschuppen hat sich „gelebte Teilhabe“ auf die Fahnen geschrieben. Meist sind es ja mittlerweile Koproduktionen.
Frense: Ja, ich nenne mal ein paar exemplarisch. Wir werden wieder eine Koproduktion mit der Ruhrtriennale, dem Schauspiel Essen und dem Bochumer Schauspielhaus machen, wobei wir eine vielversprechende Nachwuchsgruppe aus Berlin bei uns zu Gast haben werden, die sich ,Laien des Alltags’ nennen. Es sind alles Kinder des Prenzlauer Bergs, die irgendwann weggezogen sind und quasi als Jugendliche die Gentrifizierung des Stadtteils erlebt haben. Alle sind sie in künstlerische Berufe gegangen – viele ins Theater. In Mülheim werfen sie nochmal einen Blick zurück, was Gentrifizierung eigentlich bedeutet. Was ist Wunsch danach im Ruhrgebiet? Und was ist mit dem Wehe?
Es gibt ein Wiedersehen mit weiteren alten Bekannten?
Frense: Ja, wir freuen uns riesig auf die Uraufführung der zweiten Zusammenarbeit mit dem Othni-Theater Yaoundé Kamerun und dem Kainkollektiv. In dem ersten Projekt von Kainkollektiv und Othni ging’s ja um das europäische Kolonialerbe in Kamerun. Diesmal geht’s um das Thema Sklaverei. Eine Art Analogie zwischen der Geschichte der Sklaverei in Afrika und der modernen europäischen Sklaverei mit Kinder- und Organhandel, Haushaltssklaven und Prostituierten.
Die „Truck Tracks“ fahren bald auch in Mülheim ein?
Frense: Die Mülheimer Ausgabe der „Truck Tracks“ ist eine Koproduktion mit Urbane Künste und Rimini Protokoll. Und da wird’s ein paar schöne Orte in unserer Stadt geben, die ich jetzt noch nicht verraten möchte. Aber ich kann schon sagen, dass drei tolle Künstler dabei sind, mit denen wir drei der sieben Bilder ansteuern werden. Schorsch Kamerun, der Opernregisseur Sebastian Baumgarten, und der uns sehr gewogene Mülheimer Künstler Jan Ehlen werden jeweils einen Ort gestalten.
Was sind sonst noch für Projekte geplant?
Frense: Es wird im Dezember zum ersten Mal ein Familienstück geben: „Die ,Abenteuer des starken Wanja“ von Otfried Preußler, ein Stück über Faulheit. Dieser Wanja isst immer Kürbiskerne und liegt jahrelang nur auf dem Ofen herum. Irgendwann ist er so stark, dass er das Dach vom Haus hochheben kann – und dann zieht er los. In bester Road-Movie-Art – und am Ende wird er Zar.
Geht die Zusammenarbeit mit Häusern über Deutschland hinaus?
Frense: Eine große Koproduktion gibt es im Februar 2017 mit HAU (Hebbel am Ufer Berlin), Münchner Kammerspielen, Kaserne Basel, Gessnerallee Zürich und Steirischer Herbst Graz: Hamlet. Inszeniert von Boris Nikitin. Es geht um einen jungen Menschen, der gegen die Wirklichkeit aufbegehrt, um sich seiner selbst zu vergewissern. Dafür hat er sich einen besonderen Performer gesucht, den Elektromusiker Julian Meding, der schon in anderen Projekten mitgemacht hat. Eine schillernde Figur. Nikitin benutzt biografisches Material von Meding und verquickt es mit der Hamlet-Geschichte. Auf der Bühne wird neben Meding auch ein barockes Streichquartett spielen