Mülheim. . So ist er, der Alltag bei der Wehr: Die Teilnehmer einer Tour durch die Wache waren gerade erst in der Leitstelle angelangt, da brannte eine Scheune.

  • Bauernhofbrand löste Großalarm aus.
  • Die Lage war unklar, viele Fahrzeuge rückten aus.
  • 400 Feuer haben die Kollegen jährlich zu bekämpfen.

Selten hat man einen Zweijährigen so konzentriert erlebt wie den kleinen Ole am Dienstagmorgen in Broich. Sein Vater, Matthias Marx (35), hatte den Sohn und sich zur Aktion „WAZ öffnet Pforten“ angemeldet und war ausgelost worden. So hieß es denn gestern früh: Wir erkunden die Feuerwache! Ole war gespannt wie ein Flitzebogen. Das Abenteuer aber war nach einer halben Stunde schon wieder vorbei. Weil das passierte, was auf Feuerwachen eben so passiert: Ein Notruf ging ein, löste einen Großeinsatz aus – und beendete die Führung von Pressesprecher Thorsten Drewes durchs Haus abrupt.

Die Enttäuschung stand vielen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Das Verständnis aber war groß: Gemeldet worden war immerhin ein Bauernhofbrand, ein Feuer in einer Scheune an der Straße Diecker Höfe. Dass der Schaden letztlich nicht riesig war, die Sache recht glimpflich zu Ende ging, wusste anfangs keiner. Und so mussten eben reichlich Feuerwehrmänner und Fahrzeuge ausrücken. Für die Besucher blieb die Erkenntnis: „So ist es eben, das Leben.“

Jeden Schadensort innerhalb von acht Minuten erreichen können

In den 30 Minuten zuvor hatten der kleine Ole, die anderen Jungs – und natürlich auch die Erwachsenen – immerhin schon erfahren, dass die im September 2010 bezogene Wache nördlich der Duisburger Straße als schönste deutschlandweit gilt. Im Foyer, neben einem ausgemusterten Kran von 1956, hatte Drewes die Gäste empfangen, und stolz verkündet, dass es von diesem hübschen Stück nur noch drei weltweit gebe.

Nächster Haltepunkt war ein Schaukasten in der obersten Etage mit einem Modell der alten Feuerwache an der Aktienstraße. Voraussetzung für den Umzug in den imposanten Broicher Neubau war einst die 2005 fertiggestellte Wache in Heißen, berichtete Drewes. Nur so habe man gewährleisten können, was Vorschrift ist: „Wir müssen jeden Schadensort in Mülheim innerhalb von acht Minuten erreichen können.“

„Alte Möhrchen“ zum Anschauen

Weiter ging es Richtung Leitstelle, vorbei an einem Poster mit früheren Feuerwehrautos. „Schön zum Gucken, diese alten Möhrchen“, so eine Teilnehmerin. Und beim Gucken sollte es auch in der Leitstelle erst einmal bleiben – „bitte nicht so viel quatschen, die Leute arbeiten ja“, sagte Drewes. Sechs Schreibtische, auf jedem mehrere Bildschirme. An der Wand eine riesige Anzeigetafel. Lichter in verschiedenen Farben. Zu sehen gab es genug. Im Rausgehen dann ein erster kleiner Notruf: Eine ältere Dame sitze an einem Bürgersteig, war zu vernehmen. Sie könne nicht mehr weiter. Passanten würden ihr zur Seite stehen, aber es solle bitte Hilfe kommen. . . „80 bis 90 Einsätze haben wir am Tag“, berichtete Drewes. Einsätze verschiedenster Art, darunter 400 Brände jährlich.

Gute Waffen im Kampf gegen falsche Notrufe

Laut § 145 Strafgesetzbuch steht auf absichtlichen Missbrauch von Notrufen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Auch in Mülheim kommt es regelmäßig vor, dass die Feuerwehr bösartig falsch alarmiert wird, hieß es gestern.

Täter aber seien gewarnt. Sie können heute deutlich leichter gefasst werden als früher: Selbst bei Unterdrückung der Telefonnummer könne der Anschluss sofort erkannt werden, sagte Drewes – und künftig sogar der Standort ausgemacht werden.

Während die Besucher dann um einen großen Tisch saßen, den Tisch, an dem bei größeren Einsätzen – wie dem Pfingststurm Ela 2014 – der Führungskreis der Feuerwehr, Experten von Polizei, Rotem Kreuz und andere Platz nehmen, ging besagter Notruf ein. Mit dem Blick aus dem Fenster, auf knallrote Autos, die davonrauschten, endete die spannende Erzählstunde – viel zu schnell.

Sei nicht traurig, lieber Ole, wir holen das alles nach!

Im Schlauchbecken Schwimmen gelernt

Unter den Besuchern waren gestern auch die Mülheimerin Gisela Eidmann (69) und Uwe Knorst (62) aus Geilenkirchen. Die Geschwister wollten unbedingt an der Führung teilnehmen – denn zur Feuerwehr Mülheim besteht eine lebenslange Verbindung, berichteten sie. Ihr 1999 verstorbener Vater, Max Knorst, war bis 1970 Leiter der hiesigen Berufsfeuerwehr.

Eidmann und Knorst wuchsen an der Aktienstraße auf, in einer Wohnung direkt im alten Feuerwehrgebäude. Die Kindheit war durch das besondere Umfeld geprägt: „Ich habe im Schlauchbecken Schwimmen gelernt“, erinnerte sich Uwe Knorst.

Schon im Zweiten Weltkrieg sei der Vater als Feuerwehrmann im Einsatz gewesen, erzählten die Geschwister. In seinem Nachlass fanden sie eine Vielzahl von Unterlagen, alte Dienstvorschriften und Fotos von Einsätzen. Die älteste Aufnahme – ein Gruppenbild – stammt von 1930. Diese Schätze übergaben Eidmann und Knorst gestern der Feuerwehr.