Mülheim. Die Idee einer Mülheimer Innenstadt ohne Autos kommt bei Ratsmitgliedern gut an. Manche in der Stadtpolitik aber halten die Vision für Wunschdenken.
Eine autofreie Innenstadt in zehn Jahren oder etwas später. Diese Idee hatte Planungs- und Baudezernent Peter Vermeulen im Gespräch mit dieser Zeitung eingebracht. Von vielen Parteienvertretern kommt dazu ein positives Echo. Andere halten die autofreie Innenstadt – gerade in Mülheim – für Wunschdenken..
„Es lohnt sich, über diese Idee nachzudenken. Mit dem jetzigen Verhalten der Mülheimer Autofahrer können wir das nicht erreichen. Sollten sich aber die Gewohnheiten ändern und Autofahrten weniger werden, müssen wir in den politischen Gremien darauf reagieren“, sagt Werner Oesterwind, bei den Christdemokraten Innenstadtexperte. Nur wer Ideen entwickle, könne auch gestalten. „Darüber müssen wir noch viel mit Anliegern und Geschäftsleuten diskutieren. Diese Ratsentscheidung sehe ich noch nicht“, meint Hansgeorg Schiemer, Sprecher der CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung 1.
Vom Durchgangsverkehr befreit
„Ich habe mich über diese Ankündigung des Planungsdezernenten gefreut. Die Verwaltung arbeitet offensichtlich daran, das Radwegenetz zu verbessern, wie wir es beantragt haben“, erklärt Axel Hercher von den Grünen. Es müsse aber nicht alles teuer umgebaut werden. „Auf der Saarner Straße reichte eine neue Markierung. Statt zwei Autospuren je Richtung gibt es jetzt jeweils nur eine – aber mit Radwegen und Parkplätzen“, ergänzt Hercher. Die Innenstadt sei sehr kompakt. „Über die Schollenstraße fahren nur die Schleicher, die sowieso über Adenauerbrücke und Bergstraße ausweichen sollen.“ Vom Durchgangsverkehr könnten auch Bahn- und Leineweberstraße langfristig befreit werden. „Dafür soll es später den Alleering geben.“
Den Raum von allen gemeinsam nutzen lassen, wie beim Shared-space-Modell auf dem Kirchenhügel. Das favorisiert Claus Schindler, Planungssprecher der SPD. „Nach einigen Anlaufschwierigkeiten haben die Leute die Regeln in der Altstadt angenommen. Gibt es auf der Leineweberstraße mehr Gastronomie, lässt sich das dort ebenfalls umsetzen.“ Freie Plätze in der Stadtmitte sollten nicht zugeparkt, sondern für Menschen erlebbar und begehbar sein. „Der Radschnellweg braucht weitere Anschlüsse, um das Netz zu verbessern. Dann wird es einfacher, die City mit dem Fahrrad zu erreichen“, sagt Schindler. Autos nur auszusperren, sei keine Lösung.
Luftnummer oder Zukunftsvision?
Eine autofreie Innenstadt bezeichnet Lothar Reinhard, Fraktionssprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) als „Luftnummer oder Zukunftsvision?“ Zur Zeit wäre wichtiger zu wissen, „welches Baustellen-Szenario auf die Innenstadt zukommt“. Peter Vermeulen habe keine konkreten Angaben gemacht, was mit „autofreier Innenstadt“ gemeint sei. Was fehle, „ist ein schlüssiges Verkehrskonzept“. Der MBI-Sprecher: „Die vermurkste Mülheimer Verkehrsführung, die durch und für Ruhrbania noch schlechter wurde, wird durch die Ankündigung einer autofreien Innenstadt an keinem Punkt besser.“ Mit Sperrung der Schollenstraße kämen erneut große Verkehrsbehinderung und für etliche Innenstadtkaufleute wieder Existenzbedrohung.
Der Vorstand der Werbegemeinschaft Innenstadt wollte sich nicht zu den Planzielen des Baudezernenten äußern. Die Kaufleute treffen sich heute Abend, um über den neuen Markt zu sprechen. Dabei wird sicher auch der Vorschlag einer autofreien Innenstadt ein Thema sein.