Mülheim. . Dr. Hendrik Dönnebrink hält von der Kernbotschaft wenig, weiter auf die Straßenbahn zu setzen. Er hält durch einen Umstieg auf Busse mehr Einsparungen für möglich.
Die Zukunft im ÖPNV gehört der Schiene, und eine schnelle Reduzierung des hohen Defizits bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) wird nicht möglich sein. So jedenfalls sehen es die Gutachter der Verkehrs-Consult Dresden-Berlin GmbH in ihrer Analyse, die sie für die Stadt erstellt haben. Die Politik wird das umfangreiche Gutachten, das 250.000 Euro gekostet hat, bewerten müssen, aber auch die zahlreichen kritischen Anmerkungen des Chefs der Mülheimer Beteiligungsholding, Dr. Hendrik Dönnebrink, der von der Kernbotschaft der Gutachter wenig hält.
Die Beteiligungsholding, unter deren Dach sich alle städtischen Töchter mit ihren Gewinnen und Verlusten befinden, muss die jährlichen Miesen der MVG irgendwie ausgleichen und sieht sich Verbindlichkeiten der MVG gegenüber, die inzwischen auf 130 Millionen angewachsen sind.
Ein starres System
„Wir sind dabei, ein starres System, für die Zukunft festzuschreiben“, sagt Dönnebrink mit Blick auf die Gutachterempfehlung. Er hatte mehrfach das ausufernde Defizit der MVG von derzeit 32 Millionen Euro im Jahr insbesondere im Vergleich mit ähnlichen Kommunen deutlich kritisiert. Das Festhalten am Schienenverkehr und an den teuren Tunnelbauten in den nächsten Jahrzehnten hält er für falsch, wirtschaftlich für unsinnig, für unflexibel und für wenig perspektivisch. Mehr Kostenbewusstsein, mehr Zukunftsorientierung, mehr Querdenken wünscht sich Dönnebrink und warnt vor dem Festhalten an einer Infrastruktur, die aus heutiger Sicht in den 70er und 80er Jahren überdimensioniert errichtet worden sei.
„Wer will heute sagen, welches ÖPNV-Angebot in 10, 20, 30 Jahren gebraucht wird und gefragt ist?“ Die Entwicklung der Stadtgröße, der Wandel in der Fortbewegung, die Einführung neuer Techniken wie fahrerlose Wagen, die Entwicklung von Elektromobilität – alles das findet für Dönnebrink viel zu wenig Beachtung in der derzeitigen Debatte. Und eine Antwort der Gutachter, wie die Stadt die extrem hohen Sanierungskosten für die Bahn und die Tunnelanlagen in den nächsten zehn Jahren – rund 60 Millionen – finanzieren soll, vermisst die Beteiligungsholding ebenfalls. Aus Gutachterkreisen heißt es dazu: Das sei nicht Aufgabe gewesen.
Dönnebrinks Millionen-Rechnung
Die Beteiligungsholding präferiert mit dem Kämmerer den schrittweisen Umstieg von der Straßenbahn auf den Bus. „Dieses Szenario wäre auf der Zeitachse das wirtschaftlichste“, betont Dönnebrink und kommt in seiner Analyse zu einem um 188 Millionen Euro besseren Ergebnis, als wenn die Stadt weiterhin vornehmlich auf das Schienennetz samt U-Bahnen setzt. Es gebe weniger Verluste, Zinsersparnisse und vor allem weniger teure erforderliche Investitionen in ein Netz, das in den kommenden Jahren saniert und modernisiert werden muss.
Die Gutachter hatten wirtschaftlich sowie unter Umwelt- und Demografieaspekten das ÖPNV-Netz bewertet und am Ende empfohlen, auf die Schiene zu setzen, Strecken zu optimieren, auszubauen, Bus- und Bahnverkehr besser aufeinander abzustimmen.
Drei Szenarien hatten sie dabei durchgerechnet, wobei der Umstieg von Bahn auf Bus von den Gutachtern zwar ebenfalls langfristig als die Variante gesehen wird, bei der das Defizit am deutlichsten sinken würde, aber zunächst wegen möglicher Rückzahlung von Fördergeldern und Schadenersatzansprüchen enorme Kosten – von 200 Millionen ist die Rede – verursachen würde.
Zweifel an Kunden-Prognose
Viel zu sehr, kritisiert Dönnebrink, werde heutzutage immer noch „in Fördergeldern gedacht“. Das könne aber nicht der Parameter für die Gestaltung der Zukunft sein, „das ist Geld der Vergangenheit“. Starke Zweifel äußert die Beteiligungsholding auch an der Berechnung, dass bei einem Umstieg auf den Bus der MVG viele Fahrgäste verloren gehen und die Einnahmen erheblich sinken würden. „Werden Eltern für ihre Kinder kein ÖPNV-Ticket mehr kaufen, weil es keine Straßenbahn mehr gibt?“, fragt Dönnebrink etwa dazu Richtung Gutachter.