Mülheim. „Mülheim von vorn“: Mittelständische Betriebe leben von den Ideen ihrer Mitarbeiter. Qualifizierte Fachkräfte kommen aber nur, wenn sie auch ein attraktives Lebensumfeld finden.

Mülheim 2026: Eine Stadt für Familien, eine grüne Stadt und vor allem eine Wissenschaftsstadt. Denn Professor Robert Schlögl hat gerade mit seinen Mitarbeitern vom Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion den Nobelpreis bekommen. Ihnen ist es nach jahrelanger Forschung tatsächlich gelungen, die Photosynthese im Labor nachzuahmen. Mülheim wird weltweit mit einem entscheidenden Fortschritt in der Energiewende in Verbindung gesetzt.

Weiche Faktoren sind wichtig

Was auf den ersten Blick vielleicht wie Science-Fiction klingen mag, ist in Wirklichkeit gar keine so unwahrscheinliche Zukunftsvision für die Stadt an der Ruhr. Alle diese Faktoren - Familienfreundlichkeit, viel Natur, innovative Bildungslandschaft - zusammen mit dem Qualitätssiegel „Innovationskraft“ bilden gemeinsam die Basis für einen stabilen Wirtschaftsstandort. Früher hätte man manche dieser Faktoren weich genannt, doch für Jürgen Schnitzmeier, den Chef der Wirtschaftsförderung, ist klar: Lebensqualität ist es, die qualifizierte Fachkräfte in die Stadt zieht, sie sichert so auch die Innovationskraft. Denn: „Die Menschen sind unser Kapital“, sagt er. Attraktive Jobs könnten die Qualifizierten letztlich überall finden, warum sie sich dann für Mülheim und keine andere Stadt entscheiden, hänge mit der Lebensqualität zusammen, die sie dort finden. „Das sind die Stellschrauben, an denen wir auch als Stadt drehen können.“

Natürlich, Großkonzerne wie Siemens bildeten auch künftig ein wichtiges Puzzleteil. „Wir profitieren von der industriellen Struktur in der Region.“ Aber auf die Grundsatzentscheidungen in den Konzernen habe man als Stadt kaum Einfluss. Klar, wo man helfen könne, helfe man. Profilierungspotenzial sieht Schnitzmeier aber vor allem in den mittelständischen Betrieben. „Unser Vorteil ist, dass wir hier bereits über eine gute Struktur verfügen.“ Deren Kapital seien die Ideen ihrer Mitarbeiter.

Mülheim ist eine kleine Großstadt

„Und die wollen, dass ihre Kinder in gute Schulen gehen können. Das viele Grün macht die Stadt interessant für Familien“, betont Schnitzmeier. „Mülheim ist eine kleine Großstadt“, sagt er. Und diese spezielle Eigenschaft verschaffe ihr eine gute Ausgangsposition im Vergleich zu Konkurrenten. Das Kleine, das Überschaubare - das schaffe ein Heimatgefühl. Gleichzeitig sorge die Zugehörigkeit zum Ruhrgebiet dafür, dass auch das Großstädtische nicht zu kurz komme - etwa in Form des großen Kulturangebots, das sich bis hin nach Köln und Düsseldorf erstrecke. Diese Vorteile auszubauen, das war die Aufgabe des vergangenen Jahrzehnts. In der Zeit bis 2026 werde sich zeigen, so Schnitzmeier, dass dieser Ansatz tatsächlich aufgehe.

Und damit ist ein letzter Aspekt angesprochen: Das nächste Jahrzehnt werde auch die Zeit sein, in der sich die Skepsis auflöse, mit der viele Mülheimer neuen Projekten in der Vergangenheit gegenübergestanden hätten. 2026 gibt es im Flughafen nur noch den Aero-Club - damit ist ein großer Streitfall weg. Die Innenstadt werde durch die neue Immobilie am Kaufhof-Standort neu belebt. Die Ruhrpromenade werde zum akzeptierten Freizeit-Treffpunkt. Aus den Absolventen der Hochschule beziehe die heimische Wirtschaft viele Fachkräfte.

Wenn dann tatsächlich noch der Nobelpreis käme: Natürlich kann das niemand voraussagen. Aber, und das wäre auch eine Aufgabe für die Zukunft, es wäre schon viel wert, wenn die Mülheimer mehr darüber wüssten, dass ihre Stadt dieses Potenzial hat.