Mülheim. Dagmar Mühlenfeld will mit dem Geld aus dem RWE-Aufsichtsrat gute Dinge unterstützen. Die Unterstellungen empfindet sie als empörend.

Seit Wochen gibt es eine aufgeregte Debatte über ihre Aufsichtsratstätigkeit beim RWE, für die Sie als OB im Ruhestand jährlich rund 120.000 Euro erhalten. Wie erleben Sie die Diskussion darüber?

Mühlenfeld: Als sehr ärgerlich. Ich finde es empörend. Sie steckt zum Teil voller Unterstellungen, übrigens auch von Leuten aus meiner eigenen Partei. Die hätten mit mir ja mal reden können.

Es wird unterstellt: Die frühere OB bekommt eine gute Pension – und will immer noch mehr.

Ich habe es schon 2003/2004, als die Abführungspflicht noch strittig war, gesagt, dass ich Gelder aus dem RWE-Aufsichtsrat immer abführen oder spenden werde. Von daher verstehe ich die aktuelle Diskussion gar nicht. Ich habe in den vergangenen Jahren 1,5 Millionen Euro aus den Aufsichtsratstantiemen der Stadtkasse zukommen lassen. Ich finde, das ist ein beachtlicher Beitrag zum Haushalt, den eine einzelne Person geleistet hat.

Als Pensionärin müssen Sie die RWE-Gelder nicht mehr abführen. Behalten Sie sie?

In diesem Jahr – das hängt mit dem Landesversorgungsgesetz zusammen – bekommt der Kämmerer ohnehin etwa 100.000 Euro von der Summe. Außerdem gilt, dass ich auf die 120.000 Euro 43 % Steuern und 19 % Umsatzsteuern zu entrichten habe und für weitere 30.000 Euro jährlich RWE-Aktien zu erwerben sind. Von dem verbleibenden Geld werde ich selbstverständlich, solange ich dem Aufsichtsrat angehöre, gute Dinge in Mülheim und anderswo unterstützen. Für soziale Projekte oder für Bildungsprojekte kann ich mir das gut vorstellen. Ich führe bereits seit längerem mit der Bezirksregierung Gespräche über die Gründung einer Stiftung. Das ist kompliziert. Außerdem lasse ich dabei auch prüfen, wie die Pflichtaktien gegebenenfalls in eine Stiftung gelangen können. Am Ende geht es mir wie allen Stiftern schließlich darum, maximale Erträge für meine Anliegen in der Stadt zu erzielen.

Nun wundern sich manche, dass eine ehemalige OB noch im Aufsichtsrat bleibt, zumal sie ja weder Betriebswirtin noch Technikerin, sondern ursprünglich Lehrerin ist. Macht das für Sie Sinn?

Ja, das macht für mich Sinn. Hätte ich nicht zur Verfügung gestanden, wäre niemand aus Mülheim nachgerückt und es hätte kein Geld für Mülheim gegeben. Grundsätzlich sitzen vier kommunale Vertreter im Aufsichtsrat. Das ist gut für die Interessen der Städte, die ein Viertel der Aktien besitzen, das ist aber auch gut für das Unternehmen. Die Städte sind Geschäftspartner. Für sie geht es um die Sicherung von Daseinsvorsorge und um Zukunftsperspektiven. RWE kann noch die besten Ideen haben, sie brauchen die Städte für die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen, um diese im Alltag auch auszuprobieren. Wir müssen diese Beziehungen pflegen, beide Seiten profitieren. Ich bin übrigens nicht das einzige ehemalige Stadtoberhaupt, das nach seiner Amtszeit von der Hauptversammlung weiterhin in den Aufsichtsrat gewählt wurde, weil man sich davon Vorteile verspricht. Und was meine Qualifikation angeht, so habe ich als OB wohl mehrfach bewiesen, dass ich mich in unterschiedlichste Sachgebiete eingearbeitet habe.

RWE steht in der Kritik, bei der Energiewende versagt zu haben und damit verantwortlich zu sein für den massiven Verfall des Aktie. Hätte ein Aufsichtsrat umsichtiger reagieren können und müssen?

Es ist sehr einseitig, dies dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat vorzuwerfen. Nach der Katastrophe in Japan und dem vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie durch die Bundesregierung hat sich für alle die Lage über Nacht verändert.

Mülheim, Essen, Dortmund – überall steht derzeit die Frage an, ob man die Aktien verkaufen sollte. Was würde Sie empfehlen?

Ich halte mich generell daran, als ehemalige OB keine ungefragten Ratschläge zu geben. Das müssen die Verantwortlichen entscheiden. Ich bin sicher , sie werden alle Optionen gründlich und ohne Zeitdruck prüfen, aber nichts vor dem Börsengang der neuen Gesellschaft entscheiden, damit man nicht unvorsichtigerweise Vermögen vernichtet.

Stadt verfügt über knapp zehn Millionen Aktien

Der RWE-Aufsichtsrat besteht aus 20 Mitgliedern, von denen zehn von der Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz und zehn von den Arbeitnehmern nach dem Mitbestimmungsgesetz gewählt werden.

Die Stadt Mülheim verfügt über knapp zehn Millionen Aktien. Forderungen, diese zu verkaufen, gab es auch in der Politik in den vergangen Jahren immer wieder. Jetzt soll neu darüber beraten werden.