Mülheim. Eine Entscheidung, ob die Stadt sich mit einem relativ geringen Schadenersatz von gut fünf Millionen Euro zufrieden gibt, ist noch nicht gefallen.
Dem Vernehmen nach hat sich der Finanzausschuss am Montagabend noch nicht festgelegt, ob die Stadt für ihre millionenschwere Wettenklage den ausgehandelten Vergleich mit der Abwicklerin der West LB annehmen soll. Derweil gibt es Zweifel an der rechtlichen Bewertung seitens der Stadt, wie das jüngste Swap-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zu sehen ist.
Die Stadtspitze will sich mit einer Zahlung von gerade mal gut 5 Millionen Euro von der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) abfinden. Sie bliebe nicht nur auf Millionenverlusten sitzen, es drohen weitere Zahlungsverpflichtungen weit jenseits der 20 Millionen Euro.
Überraschend kommt die von der Stadt beauftragte Kanzlei Baum, Reiter & Co. aktuell zu der Auffassung, dass das aktuelle Urteil des BGH nichts an der zuvor getroffenen rechtlichen Einschätzung ändere, der Stadt jenen Vergleichsabschluss zu empfehlen. Dabei hatte der BGH gerade dem mit dem Fall Mülheim betrauten Landgericht Düsseldorf im März aufgezeigt, dass es hinsichtlich der Aufklärungspflicht der Banken deutlich kommunalfreundlicher zu urteilen hat als noch Ende 2015 in erster mündlicher Verhandlung auch zur Mülheimer Klage angedeutet. So hat der BGH deutlich herausgestellt, wann die Banken ihre Wettgegenüber zwingend darüber aufzuklären hatten, dass in die Wetten ein sogenannter anfänglich negativer Marktwert eingepreist war, der das Verlustrisiko der Banken reduzierte. Diese Aufklärungspflicht, so steht nach dem BGH-Urteil fest, ist weitreichend. Sie greift schon dann, wenn die Bank – entsprechend zum Swap – nicht gleichzeitig auch Vertragspartnerin für das zugrundeliegende Darlehen ist. War die West LB aber im Fall Mülheim auch jene Darlehensgeberin? Die Frage müsste Mülheims Politik brennend interessieren, bevor sie am 12. Mai im Stadtrat einem Vergleich zustimmt.
Stadt Mülheim strebt Vergleich an
Dr. Jochen Weck, der für die Münchner Kanzlei Roessner bundesweit zahlreiche Klagen von wettgeschädigten Kommunen vertritt und 2011 vor dem BGH ein richtungsweisendes Urteil für die Kommunen erstritt, wertet den jüngsten Karlsruher Richterspruch ganz anders als die für Mülheim tätige Kanzlei: „Die Rechtsposition der NRW-Kommunen hat sich definitiv verbessert.“ Einzig die Frage der Verjährung sei nun noch strittig.
Die Stadt Mülheim strebt dennoch einen Vergleich mit der EAA an. In ihrem streng vertraulichen Beschlussvorschlag dazu gibt sie dezent einen Hinweis darauf, warum sie womöglich die weitere gerichtliche Aufarbeitung ihres Wettdesasters scheut. Darin heißt es, dass rechtliche Risiken auch in der Frage bestünden, ob die Stadt die Geschäfte nicht auch abgeschlossen hätte, wenn die West LB ihr sämtliche Risiken offengelegt hätte. „Dies“, so heißt es, „wäre noch von den Gerichten, gegebenenfalls durch Zeugenvernehmungen, beider Seiten zu klären.“ Wie berichtet, hatten die Anwälte der EAA im November vor dem Landgericht behauptet, Vertreter der West LB hätten die Kämmerei unter damaliger Führung von Gerd Bultmann ausdrücklich vor Abschluss der Wetten vor möglichen Folgen gewarnt.