Mülheim. . Am Freitag hat „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams am Theater an der Ruhr Premiere. Es ist die zweite Regiearbeit der Schauspielerin Simone Thoma.

So eine Glasmenagerie ist eine Welt für sich, in der alles seine Ordnung hat und damit Sicherheit verspricht. Es ist für Laura Wingfield in dem gleichnamigen, 1944 entstandenen Stück von Tennessee Williams, das Instrument ihrer Weltflucht. Aber die gläserne Welt ist nicht nur durchschaubar und schön, sie ist auch fragil. „Sie lebt in ihrer eigenen Welt, und das lässt sie für Leute von außerhalb ein wenig eigenartig erscheinen“, sagt ihr Bruder.

Simone Thoma, die die „Glasmenagerie“ als ihre zweite Regiearbeit inszeniert, verzichtet aber darauf, diesen gläsernen Zoo auf die Bühne zu bringen. Eine naheliegende und bezwingende Alternative habe sie gefunden, kündigt sie an, die sie vorab aber noch nicht preisgeben möchte. Auch von dem Foto des Vaters, der die Familie schon Jahre zuvor verlassen hat, aber als Leerstelle allgegenwärtig ist, sieht sie ab.

Der Bahnhof ist Sinnbild der Sehnsucht

Williams hatte das in seinen detaillierten Szenenanweisungen vorgesehen. Den Abend im Leben der Familie, der mit einem missglückten Rendezvous zwischen Laura (Gabriela Weber) und einem Kollegen ihres Bruders Tom endet, siedelt Thoma auf einem Bahnhof an, was auch akustisch durch Zugansagen immer wieder unterstrichen wird.

Zwei Überraschungen

Auf der Besetzungsliste fallen zwei Namen ins Auge. Albrecht Hirche, der für das Junge Theater schon zahlreiche Stücke inszeniert hat, ist hier als Tom zu erleben. Gespielt hat er schon öfter.

Das Bühnenbild hat Adriana Kocijan entworfen. Sie hat Schauspiel in Essen studiert, war in München, Gießen, Düsseldorf und Stuttgart engagiert.

Der Bahnhof ist Sinnbild der Sehnsucht nach dem anderen, besseren Leben, doch die Familie, alle auf ihre Weise auf der Flucht, verharren im Wartesaal. Ein weiterer Sehnsuchtsort ist das Kino, auch das ist erkennbar und spielt auch im Text eine wesentliche Rolle. Immer wieder flieht Tom in ein Lichtspielhaus. „Es ist eine frühe Medienkritik“, so Dramaturg Helmut Schäfer, es verweist auf die Bannkraft des Kinoabenteuers und die Lähmung und Entpolitisierung der Massen.

Die Gesellschaft an der epochalen Schwelle

Diese Inszenierung fügt sich ein in eine längere Auseinandersetzung mit modernen amerikanischen Autoren wie Miller und O’Neill, wobei erfreulicherweise nicht immer das populärste Werk ausgewählt wird. Von Williams spielte das Theater an der Ruhr vor ein paar Jahren noch „Treppe nach oben“. „Ich kenne keinen Autoren, bei dem ich so schnell in der Person bin“, lobt Schäfer die präzise Beobachtung und das psychologische Gespür.

Zentral für die Stückwahl ist die „epochale Schwelle“, an der sich die Gesellschaft befindet. Damals war es der Übergang zur Hochindustrialisierung. Heute stünden wir durch die digitale Revolution an einer vergleichbaren Stelle. Die Brüchigkeit der wirtschaftlichen Situation ist im Stück allgegenwärtig. Zwischen ökonomischen und seelischen Depressionen bestehe ein Zusammenhang. Die AfD also kein Zufall?

Auch formal ist das Stück interessant. Tom, der nicht der große Schriftsteller geworden ist, der er werden wollte, tritt als Erzähler auf, schaltet sich kommentierend ein. „Spiel der Erinnerung“, lautet der Untertitel. Die Perspektive ist subjektiv, situationsabhängig. Es hätte auch ganz anders sein können.

Premiere: 18./19. März, 19.30 Uhr, Karten 23/11 Euro, 599 01 88