Mülheim. Projekte mit Flüchtlingen und das Thema Migration: Das Theater an der Ruhr setzt auf internationale Arbeit. Weiße Nächte beenden erfolgreiche Spielzeit.
Ensembles und Gäste aus aller Welt sind im Theater an der Ruhr seit Bestehen des Hauses gewollt und herzlich willkommen. Von Anfang an war der internationale Austausch eine tragende Säule des Konzepts. Wenn Europa heute vor der ungelösten Flüchtlingsfrage steht, so sieht Roberto Ciulli darin vor allem ein Versagen der Politik, die es nicht geschafft habe, „ein politisch-kulturelles Europa zu gestalten“. Wo sich Entscheidungen nicht nur nach dem Fähnlein der Finanzen drehten. Und wer im Jahr 2015 noch an Grenzen denke, „so ist das heute nicht mehr möglich“.
Grenzenlos war die Arbeit im Theater an der Ruhr schon immer. „Wir waren in den 80er Jahren das erste Theater, das die Aufgabe übernommen hat, Menschen aus fremden Kulturen auf die Bühne zu bringen“, sagt Roberto Ciulli. Das fand sich auch in „Rückkehr in die Wüste“ von Bernard-Marie Koltés wieder. Als Auftragsarbeit für die Ruhrfestspiele kam Ciullis Inszenierung kürzlich in Recklinghausen bestens an. Nicht nur in der Kritik. „Es ist wichtig, dass das Publikum so gut darauf reagiert hat.“ In Mülheim ist die Aufführung am 18. September mit Theaterfest Start der neuen Saison, eingebettet in ein Eröffnungswochenende mit dem Schwerpunkt Migration, Fremdenfeindlichkeit und Islam: Theater, Live-Musik, Lesung und einer Ausstellung der Mülheimer Künstlergruppe „AnDer“.
"Sehr gut aufgenommen"
Thematisch ein fügen sich das Theaterprojekt Ruhrorter mit Flüchtlingen, das beim Freddy-Fischer-Solidaritätspreis den zweiten Platz belegte, ebenso wie die Theater- und Klanglandschaften-Reihe. Vielseitig und komplex, spricht das Theater ein Publikum von fünf bis 80 Jahren an. Mit den beliebten Weißen Nächten, ab dem morgigen Donnerstag bis zum Sonntag, endet die Spielzeit am Raffelberg.
Ein Rückblick: Die Neuproduktion „Economania“ in Kooperation mit dem türkischen Ensemble „Kumbaraci50“ war in Istanbul, Mülheim und Solingen zu sehen. Bei den Kritikern überregional punkten konnte „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ und Premiere feierte Shakespeares „Wintermärchen“. Jo Fabians erste Produktion mit dem großen Ensemble „Auf der großen Straße“ wurde ebenfalls „sehr gut aufgenommen“.
"Virtuos und magisch"
Mit allein drei Kinder- und Jugendprojekten im Alter von 8 bis 22 Jahren, der Premiere von Kafkas „Verwandlung“ (Regie: Albrecht Hirche) legten das Junge Theater und die Theaterpädagogen in der Spielzeit gut vor. Und „Wilhelm Tell“ hat beim wichtigsten Jugendtheater-Preis NRW, dem „Westwind-Festival 2015“, quasi den Vogel abgeschossen: Die Jury beschrieb die Inszenierung von Jo Fabian als „virtuos und magisch“.
Eine erfreuliche Entwicklung nimmt die „Volxbühne“ als jüngster Ableger des Theater an der Ruhr. Erfolge feierte das Theater der Generationen unter der Leitung von Jörg Fürst mit Jelineks „Winterreise“ bei Gastspielen in Köln. Derweil tüftelt das Ensemble mit eigener Bühne an der Adolfstraße an einer neuen Eigenproduktion.
Soziale und religiöse Gegensätze
Nach dem Eröffnungswochenende am 18. und 19. September am Raffelberg und der „Rückkehr in die Wüste“ von Koltés erwartet das Publikum eine spannende neue Spielzeit. Im November hat „Das Kalte Herz“ Premiere. Das Märchen von Wilhelm Hauff inszeniert Jo Fabian mit dem Jungen Theater.
Roberto Ciulli bringt im Februar „Die Wupper“ von Else Lasker-Schüler in Koproduktion mit dem Schauspiel Düsseldorf heraus und inszeniert damit „das erste Mal in meinem Leben“ ein Stück einer Autorin: Es dreht sich um soziale und religiöse Gegensätze im Industriemilieu des Wuppertals. „Was zeigt, dass ich angekommen bin in NRW“, scherzt der gebürtige Italiener Ciulli. In der Regie von Simone Thoma liegt „Die Glasmenagerie“ von T. Williams im März.
Weiter laufen die internationalen Reihen mit der Szene Istanbul, der Theaterlandschaft Mittelmeer und den Klanglandschaften. Aber ab morgen klingt erst mal die aktuelle Spielzeit mit den Weißen Nächten im beleuchteten Park aus: www.theater-an-der-ruhr.de