Mülheim-Ruhr. Die Caritas und das Auktionshaus an der Ruhr wollen mit dem Projekt „Versteckte Not“ Senioren unbürokratisch helfen. Armut im Alter habe viele Schlupflöcher
Es war an einem Frühlingstag, als Auktionator David Christian Wettmann in einem Straßencafe saß und einen Rentner dabei beobachtete, wie er nach Pfandflaschen in Mülleimern wühlte. „Es ist doch ein Unding, dass in unserem reichen Land Menschen vom Abfall leben müssen. Das muss ich was tun“, dachte sich Wettmann.
Und so entstand die Idee der Auktions-Spende: Wer im Auktionshaus an der Ruhr Kunst, Schmuck, Antiquitäten und ähnliche Kostbarkeiten versteigern lässt, kann einen bestimmten Teil des erzielten Preises an das Projekt „Versteckte Not“ der Caritas Mülheim spenden. Gegen Spendenquittung. Wettmann verzichtet zum Teil oder komplett auf seine Provision.
Den Schein wahren
Auf der Dezember-Auktion, an der online auch Käufer aus anderen Ländern teilnahmen, kam so ein vierstelliger Betrag zusammen. Das Geld kommt Menschen wie dem älteren Herrn zugute, der mit dem Sammeln von Flaschen seine Rente aufbessert. Er ist kein Einzelfall. Manchmal bindet er sich sogar eine Krawatte um, „damit ich nicht so auffalle“, sagt er, was zeigt: Irgendwie ist ihm das alles ziemlich peinlich. „Die Menschen grenzen sich aus Scham selbst aus, gehen kaum noch vor die Tür. Sie müssen jeden Cent zählen, wissen oft nicht um mögliche Hilfen“, weiß Monika Schick-Jöres, die in der Gemeindecaritas in Mülheim fast tagtäglich mit versteckter Not zu tun hat.
In Mülheim erhalten 2177 Menschen, die älter als 60 Jahre sind, eine Grundsicherung. Von ihnen haben 1696 Personen ein eigenes Einkommen. Sie erhalten ergänzende Leistungen der Grundsicherung. Immer mehr Menschen im Rentenalter gehen, so die Bundesanstalt für Arbeit, einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach. Arbeiteten 2003 noch 533.000 über 65-Jährige in einem Minijob, sind es Ende 2015 geschätzt rund eine Million. Sie tragen Anzeigen-Zeitungen aus, jobben beim Discounter, putzen Wohnungen und Häuser. Sozialverbände gehen davon aus, dass „in den nächsten 10 bis 15 Jahren immer mehr Menschen ohne hinreichende Rentenansprüche das Rentenalter erreichen“, warnt der Direktor der Ruhrcaritas, Andreas Meiwes.
Geld für eine Zahnprothese
Sozialarbeiter der Caritas in Mülheim suchen diese Menschen zu Hause auf, um schnell und unbürokratisch praktische Hilfe zu geben. „Mal ist es die verschimmelte Wohnung, die unbedingt renoviert werden muss. Mal muss dringend der Strom bezahlt werden. Mal ist es Geld für eine Zahnprothese – die Armut im Alter versteckt sich in vielen Schlupflöchern“, weiß Monika Schick-Jöres.
Kontakte & Termine
Wer dem Auktionshaus Objekte für die Aktion „Versteckte Not“ anbieten möchte, kann sich bei den Caritas-Sozialdiensten, Hingbergstr. 176, telefonisch unter 30 008 23 oder per Mail an verstecktenot@caritas-muelheim.de melden.
Weitere Infos gibt es auch beim Aktionshaus an der Ruhr, Delle 45, 30 59 081, Mail: info@auktionshausanderruhr.de Es sind auch Teilspenden oder prozentuale Spenden möglich. Die nächste Versteigerung, die Frühjahrsauktion, ist am 9. April.
Nicht selten sind es auch Objekte aus unverhofften Erbschaften, die unter den Hammer kommen. „Ich habe eine Erbschaft von einem entfernten Onkel gemacht und möchte jetzt auch an andere denken, die in Not sind“, sagt eine Mülheimerin, die bei der nächsten Auktion für den guten Zweck spenden will. Bei der Wohnungsauflösung sei einiges an Gemälden, Möbeln und Schmuck für eine Versteigerung aussortiert worden.
Diesem Ziel dient auch die „Initiative Kunstcafé“, zu der Caritas und Auktionshaus a. d. Ruhr künftig viermal im Jahr einladen. In lockerer Runde soll bei Kaffee und Kuchen über Kunst und die Not im Alter gesprochen werden, mitgebrachte Kunstgegenstände werden geschätzt – um die „Versteckte Not“ in Mülheim zu lindern.