Mülheim. . Kinder und Jugendliche kommen mit traumatischen Erfahrungen und benötigen besondere pädagogische Betreuung. Hilfreich sind Fachkräfte, die Arabisch oder Farsi sprechen

Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind, und zumeist traumatische Kriegs- und Fluchterfahrungen gemacht haben, stellen das Jugendamt vor besondere Herausforderungen. 91 Kinder und Jugendliche im Alter von unter zehn bis zu 17 Jahren leben derzeit in der Stadt, zwölf davon sind Mädchen. Sieben Kinder sind unter zehn Jahre alt, 33 zwischen 11 und 15 Jahren und 51 Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren. Rund 85 000 Euro kostet die Versorgung und Betreuung eines dieser Kinder oder Jugendlichen im Jahr.

Diese Zahlen nannte Martina Wilinski, Leiterin des KSD, des Kommunalen Sozialen Dienstes, der in Mülheim die Aufgaben des Jugendamtes wahrnimmt, in der letzten Sitzung des Sozialausschusses. Die Vormundschaft von 26 der Kinder und Jugendlichen liegt bei Familienangehörigen, erklärte Wilinski den Sozialpolitikern, der überwiegende Anteil der Minderjährigen befindet sich in der Obhut des KSD. 64 Minderjährige leben bei ihren Verwandten, 27 sind in unterschiedlichen Einrichtungen untergebracht.

Dazu gehört auch eine Wohngemeinschaft am Frohnhauser Weg, in der unter KSD-Leitung derzeit zwölf Jugendliche rund um die Uhr sozialpädagogisch betreut werden. Von den beiden freien Trägern Pflegepartner und der Interkulturellen Sozialpädagogischen Familienhilfe (ISF), einem privaten Träger, der über viele Mitarbeiter verfügt, die neben der fachlich-pädagogischer Ausbildung auch Sprachen wie Arabisch oder Farsi beherrschen. Eine Notwendigkeit, ohne die keine Kommunikation möglich wäre, so Martina Wilinski: „Wir wissen von den Kindern und Jugendlichen nur, wie sie heißen, wie alt sie sind und wo sie herkommen.“ Das macht es schwierig, auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können, die von Ängsten begleitet werden. Und oft so schreckliche Dinge wie die Ermordung der nächsten Angehörigen erlebt haben, wofür es auch bei einer gemeinsamen Sprache kaum Worte gibt. Kinder, die nicht wissen, ob beim nächsten Versuch, im Heimatland anzurufen, ihre Eltern überhaupt noch am Leben sind.

Die meisten der Kinder und Jugendlichen stammen aus dem Irak und Syrien

125 minderjährige Flüchtlinge sieht der gesetzliche Aufnahmeschlüssel für Mülheim vor, durch Länder-Umverteilungen können es auch bis zu 145 werden, schätzt die KSD-Leiterin. „Das wird für uns“, ist sie überzeugt, „eine große Herausforderung sein.“ Die Amtsvormundschaften werden wachsen, prophezeit Wilinski, die schätzt, dass nur wenige Mädchen kommen werden, die in Mädchenwohnformen untergebracht werden sollen. Im April wird erst einmal eine weitere WG für acht bis zehn Jungen am Dickswall eingerichtet. Träger ist das Gerhard-Tersteegen-Institut, das auch die Jugendschutzstelle an der Zinkhüttenstraße, ebenfalls eine Wohneinrichtung, betreibt.

Vermisste Jugendliche, wie im überregionalen Teil dieser Zeitung berichtet, gibt es in Mülheim laut Martina Wilinski übrigens nicht. Was den derzeit politisch diskutierten Familiennachzug angeht, so habe das Mülheimer Jugendamt noch keine Erfahrungen sammeln können. „Wir halten das aber für sinnvoll für die Entwicklung der jungen Menschen“, sagt Martina Wilinski. Sie geht davon aus, dass sich der KSD langfristig um die jungen Flüchtlinge kümmern werden muss.

Die Kosten von 85.000 Euro pro Kind/Jugendlichem sind dem besonderen Betreuungsaufwand geschuldet. Die Stadt streckt die Kosten für Unterbringung, pädagogische Betreuung und so genannte „Kulturmittler“ vor und bekommt das Geld auf Antrag vom Land wieder erstattet.

Die meisten der Minderjährigen kommen aus dem Irak (41), 19 sind aus Syrien und zwölf aus Afghanistan. Sechs stammen aus dem Iran.