Mülheim. . Schon im März vor dem Landgericht, wenn um die fristlose Kündigung des Ex-Geschäftsführers der Mülheimer Seniorendienste gestritten wird, werden Ermittlungsergebnisse Thema sein.

Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld hat vor Weihnachten auf Antrag der AfD vorsichtig Stellung bezogen zum Korruptionsverdachtsfall rund um den im August 2013 fristlos gekündigten Chef der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas. Dabei bat die OB die Politik um Geduld und Vertrauen in die Arbeit der Strafermittler. Eine Einschaltung des Mülheimer Rechnungsprüfungsamtes sei nicht zielführend. Derweil hat diese Zeitung weitere Details zum Ermittlungsverfahren in Erfahrung gebracht.

Anscheinend, so die OB bei ihrer kurzen Stellungnahme im Rat, werde Rinas seitens der Ermittler unterstellt, Lieferanten und Beratern der Seniorendienste überhöhte Rechnungen zugestanden zu haben. „Im Gegenzug soll er einen Teil der überhöhten Zahlungen über seine Firmen zurück erhalten haben.“ Diese Aussage, so Mühlenfeld, hätten die Ermittler offenbar gemacht, nachdem sie unter anderem wohl entsprechende Kontobewegungen offengelegt hätten. Die Stadt unterstütze die Ermittler fortlaufend mit Unterlagen, so die OB. Parallel das Rechnungsprüfungsamt einzuschalten, mache keinen Sinn. Das Amt könne etwaige kritische Zahlungsvorgänge zwischen Geschäftspartnern der Seniorendienste und dem Privatmann Rinas mangels Zugang naturgemäß nicht analysieren beziehungsweise identifizieren.

Anwalt der Seniorendienste zitiert aus den Ermittlungsakten

Bereits im Klageverfahren vor dem Landgericht Duisburg, in dem sich Rinas gegen seine fristlose Kündigung von August 2013 wehrt, sind etwaige Beschuldigungen Thema, wie ein Sprecher des Gerichtes bestätigte. In einem Schriftsatz, mit dem der Anwalt der Seniorendienste die Gründe für die fristlose Kündigung darlege, seien etwaige Passagen aus dem Zwischenbericht des Landeskriminalamtes zum Ermittlungsverfahren zitiert. Wie berichtet, wird aktuell gegen Rinas und 16 weitere Beschuldigte ermittelt.

Volker Stuckmann, von den Seniorendiensten eingeschalteter Strafrechtler, äußerte sich auf Nachfrage zu den Aussagen des Landeskriminalamtes, auf die sich die Stadttochter im Verfahren vor dem Landgericht beruft. So heiße es dort, dass Rinas seine Geschäftsführerposition dazu ausgenutzt habe, um „Lieferanten nach eigenem Gutdünken und ohne ordnungsgemäße Vergabe, Ausschreibung oder Rahmenverträge“ zu beauftragen. Im Gegenzug sollen „umfangreiche Sach- und Geldzuwendungen erfolgt sein, die Rinas entweder einforderte oder Lieferanten zum Erhalt ihrer Auftragsbeziehung anboten beziehungsweise gewährt haben“.

Mindestens 60.000 Euro für ein privat verfolgtes Spendenprojekt?

So soll Rinas mitunter über die Seniorendienste – gegen Spendenquittungen – Zuwendungen im Wert von mindestens 60.000 Euro für ein privat verfolgtes Spendenprojekt in Mazedonien erhalten haben. Die Rede ist auch davon, dass der Ex-Geschäftsführer der Seniorendienste sich derartige „Gegenleistungen“ an eine privat von ihm betriebene Firma, offenbar ein Steinbeis Beratungszentrum, habe überweisen lassen. So habe jene Firma, so Stuckmann mit Blick auf die Ermittlungsakten, Rechnungen ausgestellt für „nicht konkretisierte Beratungstätigkeiten“. Hierfür soll das LKA stichhaltige Belege zusammengetragen haben. Fünf Verdachtsfälle konnte die WAZ recherchieren.

1 Bekannt sind die Vorwürfe im Rahmen jenes Examina-Projektes der Seniorendienste, mit denen rumänische Pflegekräfte geschult wurden. Hier soll die Aleha-Unternehmensberatung als Projektpartnerin der Seniorendienste gut 21.000 Euro an Steinbeis überwiesen haben, laut Rechnung für Beratungsleistungen. Das LKA ist offensichtlich der Ansicht, dass die Firma von Sabine Dreiling-Beitz, für die auch Gatte Peter Beitz (FDP-Fraktionschef) tätig ist, Rinas quasi eine private Provision dafür gezahlt hat, dass sie den 150.000 Euro schweren Examina-Auftrag bei Umgehung der Vergabepflicht für einen derart groß dimensioniertes Projekt zugeschustert bekommen hat. Der Anwalt der Beitz-Eheleute weist den Vorwurf zurück. Peter Beitz selbst sagte im November, für die 21.000 Euro habe Steinbeis qualifizierte Zertifikate für die rumänischen Projektteilnehmer ausgestellt.

Reinigung der Seniorenheime ausgegliedert

2 In den Ermittlungsakten findet in diesem Zusammenhang laut Stuckmann auch die Ausgliederung der Reinigung in den drei städtischen Senioreneinrichtungen im Jahr 2012 kritische Erwähnung. Dass Rinas für das Outsourcing nicht einmal einen Beschluss des Aufsichtsrates und der Gesellschafterin eingeholt haben und vorhandenes Reinigungspersonal zu Lasten der Stadttochter weiter zu bezahlen gewesen sein soll – für die Ermittler sicher nur eine Randnotiz. Das LKA stoße sich auch hier an einer Zahlung der beauftragten Fremdfirma an Rinas’ Privatfirma. So sollen hier gut 11.000 Euro geflossen sein. Das Geld soll der Reinigungsfirma in Rechnung gestellt worden sein für „Konzeptionen und Zertifizierungen von Pflegekräften aus dem Ausland“.

3 Ein weiterer Fall der persönlichen Bereicherung, der Rinas verdächtigt wird, liegt in der Geschäftsbeziehung zu einer Werbeagentur, die mit einem sechsstelligen Umsatz für die Seniorendienste tätig gewesen sein soll. Die LKA-Ermittlungen sollen ergeben haben, dass Rinas hier über den Freund seiner Tochter, der für die Agentur tätig gewesen sein soll, womöglich eine Gegenleistung für die Auftragsvermittlung kassiert hat: 17.500 Euro.

Großlieferant und Leasingfirma als Geschäftspartner im Visier

4 Auch ein Großlieferant der Seniorendienste ist laut Stuckmann im Visier der Ermittler. Auch er soll im Zusammenhang mit der Ausweitung seiner Geschäftsbeziehungen mit den Seniorendiensten 7500 Euro an die Privatfirma von Rinas gezahlt haben – angeblich für ein „Potenzial-Gutachten“.

5 In einem weiteren Fall, der im März am Landgericht Thema sein wird bei der Auseinandersetzung um Rinas’ fristlose Kündigung, geht es laut Stuckmann darum, dass Rinas verdächtigt wird, sich privat an dem Abschluss von Leasingverträgen für die Seniorendienste bereichert zu haben. So wird vermutet, dass er sich im Gegenzug von der Leasingfirma kostenlos Dienstleistungen hat erbringen lassen für eine seiner Privatfirmen.

„Wir werden das alles widerlegen“, sagte Anfang November Anwalt Jürgen Masling, der Rinas vor dem Landgericht vertritt. Anwalt Andreas Schmidt, der Rinas im Ermittlungsverfahren beisteht, hatte seinerzeit auch zum Ausdruck gebracht zu glauben, „alle Vorwürfe entkräften zu können“, ohne aber aufs Detail eingehen zu wollen.