Mülheim. . Delegation aus Managern und Lehrern interessierte sich für das duale System. Auf dem Weg zu mehr Bildung könne man von den Deutschen viel lernen.

„Es gibt nicht überall Verkehrspolizisten.“ – „Es ist sehr ordentlich hier.“ – „Und es ist sehr sauber.“ Befragt nach ihren ersten Eindrücken von Deutschland, fielen vor allem diese Sätze von zehn Chinesen, die am Montag für einige Stunden am Berufskolleg Stadtmitte an der Kluse weilten. Die fünf Frauen und fünf Männer aus der südchinesischen Elf-Millionen-Metropole Guangzhou wollten nicht bei oberflächlichen Beobachtungen bleiben – sie möchten das berufliche Bildungssystem hierzulande kennenlernen. Davon könne man viel lernen, sagte Gruppenleiterin Jian Luo. „In China haben wir zwar auch ein duales System, aber es funktioniert noch nicht so gut. Wir haben noch viele Probleme“, so die 45-Jährige.

Um Lösungen zu finden, haben das Bildungsministerium der Provinz Guangdong sowie die chinesische Telekom – auf Drängen des Staatsrates – die Delegation aus Managern und Lehrern nun ins ferne Deutschland geschickt. „Zwei Wochen lang sollen sie sich über unser hervorragendes System informieren“, so Wolfgang Reuter, Geschäftsführer des Bundesverbandes Berufliche Qualifizierung. Der 63-jährige Gladbecker hat die bundesweite Tour organisiert, und auch zwei Stippvisiten bei Mülheim Institutionen eingeplant: im Gasturbinen-Werk von Siemens einerseits, beim Berufskolleg andererseits.

„In China lesen die Lehrer oft einfach nur aus Fachbüchern vor“

Neben reichlich Fakten zum vielgerühmten dualen Ausbildungs- und Studiensystem lernten die Gäste dort auch einiges über unterschiedliche Lehrmethoden: „In China lesen die Lehrer oft einfach nur aus Fachbüchern vor und ihre Schüler haben zuzuhören“, berichtete Reuter, der schon häufiger in Fernost war, „bei uns dagegen ist selbstständiges Lernen wichtig.“

Was konkret das heißen kann, erfuhren die Chinesen etwa von Phillip Schäfer, der am Berufskolleg zum Fachinformatiker für Systemintegration ausgebildet wird und bei einer Tochterfirma der Oberhausener Stadtverwaltung angestellt ist. „Manchmal bekommen wir genaue Angaben, was wir machen müssen. Aber oft ist es auch so, dass wir Aufgaben lösen, indem wir uns die Antworten selbstständig suchen. Aus dem Internet zum Beispiel oder aus Büchern“, so der 21-Jährige. Lehrer seien eher Berater denn reine Autoritäten, erfuhren die Besucher. Es gehe nicht vorrangig um Auswendiglernen, sondern ganz wesentlich auch um eigene Ideen.

Engagement, das auch der heimischen Industrie helfe

„In China erwarten Arbeiter, dass ihnen etwas vorgegeben wird“, so Reuter. Die breite Masse sei wenig innovativ – und zum Teil nicht gut ausgebildet. „Deshalb können sie mit der neuesten Technologie, die ihnen aus Deutschland geliefert wird, oft gar nicht wirklich umgehen.“ Man helfe der Konkurrenz also nicht aus rein mildtätigen Gründen beim Aufbau einer besseren Aus- und Weiterbildung, erklärte Reuter, der seit Jahren mit Chinesen kooperiert, sondern denke dabei vor allem an die heimische Industrie. „Denn wer eine Maschine kauft, und sie nicht effektiv nutzen kann, kauft sicher keine zweite.“