Mülheim. Trickdiebe sind hoch organisiert und suchen sich ihre Opfer gezielt aus. Ein Mülheimer Bürger schildert, wie er von den Dieben ausgetrickst wurde.

„Goldkettchen-Trick“ nennt die Polizei eine Masche, bei der geschickte Tricktäter hilfsbereite Bürger um Uhren oder Schmuck bringen, den die Opfer nicht nur um den Hals tragen. Die Täter gehen dabei so geschickt vor, dass sie oft vom Opfer unbemerkt die gestohlene Goldkette durch wertlosen Tand ersetzen. Wie schnell das geht, und wie gewieft und abgebrüht die Täter sind, die zu zweit oder zu dritt zuschlagen, erzählt ein Winkhausener, dem das Ende November vor seiner eigenen Haustür passiert ist.

Der 72-Jährige, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte gerade sein Auto mit den Einkäufen abgestellt, als er aus einem silbernen Benz mit Herner Kennzeichen vom Fahrer in gebrochenem Deutsch angesprochen wurde: Wo das nächste Krankenhaus sei. Der Beifahrer mischte sich ein, er könne besser Deutsch, eine Frau auf dem Rücksitz sei auch ausgestiegen, ständig wurde mit einer Zeichnung herumgefuchtelt. „Die Frau hatte ihre Hand in meinem Nacken“, schildert der Mann, vorgeblich wollte sie sich wohl überschwänglich bedanken, hatte eine Kette in der Hand, die sie ihm geben wollte. Der Spruch „der Papa hat Geburtstag“ sei auch gefallen.

Und plötzlich war die goldene Panzerkette weg

Dem Mann war das nicht geheuer, er habe sie abgewehrt, „hau ab damit“ gerufen, doch am Ende konnte er es mit drei Tricktätern gleichzeitig nicht aufnehmen: Wenig später fiel ihm auf, dass die Kette, die er trug, nicht die goldene Panzerkette war, die ihm einst seine Frau geschenkt hatte. Wütend ist der Winkhausener noch heute, der argwöhnisch jeden silbernen Mercedes betrachtet und sich fest vorgenommen hat, keinen Fremden mehr nah an sich ranzulassen.

Solche Geschichten hört die Polizei jetzt öfter. „Wir haben“, sagt Polizeisprecher Peter Elke, „eine deutliche Steigerung.“ Waren es im vergangen Jahr zehn Fälle in Mülheim und Essen, so sind es in diesem Jahr schon 37 – in sieben Fällen konnten die Täter allerdings nicht mit dem Schmuck entkommen, es blieb beim Versuch.

Opfer melden sich nicht immer bei der Polizei – aus Scham

Rolf Jungfer vom Mülheimer Regionalkommissariat KK 35 geht von einer Dunkelziffer aus, hält 50 Fälle für realistisch. Bei wem die Täter nicht erfolgreich waren, der meldet sich nicht unbedingt bei der Polizei. Doch nach der Veröffentlichung einzelner Fälle hatte Jungfer, der sich mit dem Goldketten-Trick intensiv beschäftigt, etliche Frauen am Telefon, die nicht mal ihren Namen nennen wollten. Auch aus Scham, hereingefallen zu sein.

Doch die hilfsbereiten und arglosen Opfer haben kaum eine Chance gegen die hochprofessionellen Gruppen, die sich oft Ältere aussuchen, wie eine 91-jährige Essenerin. Oder auch jene, die nicht so beweglich sind, wie die Mutter (35) aus Essen, die mit Baby im Kinderwagen unterwegs war, und ebenfalls überrumpelt wurde. Beide Frauen verloren Ketten, an denen besondere Erinnerungen hängen.

Kripo rät: Vermeiden Sie Körperkontakt 

Die Masche kennt Kriminalhauptkommissar Rolf Jungfer inzwischen gut, der von gewerblicher Bandenkriminalität spricht. Die Täter fahren umher, bis sie ein potenzielles Opfer finden – gern im Umfeld von Seniorenheimen oder Krankenhäusern. Dann wird nach dem Weg – Apotheke, Krankenhaus – gefragt und der Schmuck abgetrickst. „5 bis 10 % der Taten sind Raubdelikte, also mit Gewaltanwendung“, so Jungfer. „Wir haben Erkenntnisse, dass der Täterkreis aus Rumänien kommt“, sagt er. „Es handelt sich um einen geschlossenen Roma-Clan, hierarchisch aufgestellt und bestens organisiert.“

40, 50 verwandte Personen sollen dazugehören, federführend seien meist Männer, Frauen oft die „Werkzeuge“ der bundesweit tätigen Gruppe, die hochflexibel ist und schnell den Standort wechselt. „Die Fahrzeuge und die Zusammensetzung der Tätergruppen wechseln ständig“, so Jungfer. Das macht es für die Polizei schwierig, Zusammenhänge zu beweisen, man muss Tätern mehrere Taten eindeutig zuordnen können. „Es ist schwer, die Täter zu identifizieren. Die Opfer sind schwer belastet und sehen die Täter nur kurz.“

Den Opfern hilft nur, wachsam zu sein, rät Ulrich Schmitz vom Kriminalkommissariat Vorbeugung: „Vermeiden Sie Körperkontakt. Wehren Sie die Leute ab, auch ganz vehement!“ Wenn das nicht helfe: Laut werden, damit andere Passanten darauf aufmerksam werden.