Mülheim. Zsuzsa Debre und Erkki Alste wohnen im Gründerzeit-Haus der Brauereifamilie Mann. Sie veranstalten dort Konzerte, aus dem ehemaligen Wohnzimmer wurde ein Kammermusiksaal.
Beim Betreten der Eingangshalle schaut man als erstes die geschwungene Treppe hinauf, dann zum Kronleuchter – und haucht leise ‚Oh!‘. Beeindruckend hohe Räume, edles Holz mit Intarsien, Jugendstilfenster, verglaste Flügeltür. Der Atem der Industriegeschichte weht durch die „Villa Zsuzsa“ (1907) an der Boverstraße 4 a. Vielen Mülheimern ist noch die Berg-Brauerei Mann ein Begriff – und das Bier, das sie braute: Mölmsch. Die Manns lebten früher hier, jetzt liegt Musik in der Luft.
Die alte Villa strahlt heute noch das großzügige, aber strenge Flair von damals aus. Das Foyer hat etwas Archaisches. „So wie Industriebosse sich vor hundert Jahren eben präsentieren wollten. Trotzdem ist es nicht übertrieben üppig“, findet Erkki Alste. Ende 2013 belebten die Konzertviolinistin Zsuzsa Debre und ihr Mann Erkki Alste, Opernagent und Manager, das Haus neu. Inspiriert von der schönen Villa aus der Gründerzeit wollen sie hier Musik machen und präsentieren. „Das frühere Wohnzimmer ist unser Kammermusiksaal“, erklärt Zsuzsa.
Die nächsten Konzerte: Von Bach bis Sibelius
Die nächsten Konzerte im „Kulturhaus Villa Zsuzsa“ finden statt am Sonntag, 29. November, 19 Uhr, „150 Jahre Sibelius“, und am Freitag, 18. Dezember, 20 Uhr, „Bach, ach Bach“.
Kontakt: 87 95 64 oder
www.villa-zsuzsa.de
Für Spender: Bankverbindung des Fördervereins der „Villa Zsuzsa“ (5 Euro monatlich):
IBAN: DE05 3625 0000 0175 1327 32
Natürlich wird zuerst über die Musik gesprochen, die es hier regelmäßig gibt. Der Raum ist so groß, da sieht der Flügel fast schon unscheinbar aus. Viele runde Kaffeehaustische mit Stühlen stehen rings um das Instrument. Am Sonntag ist hier wieder ein Konzert. Sie nennen die Reihe „Kaffeeklatsch-Konzerte“, leichte Salon- und Operettenmusik bei Kaffee und Kuchen. „Es gibt aber auch anspruchsvolle Abendkonzerte, wo meine Frau zusammen mit anderen Künstlern spielt“, so Alste.
Wohnzimmer dient als Proberaum
Ein Haus zum Wohnen und Arbeiten, das hat das Ehepaar übers Internet gefunden. „Bei uns gehört das zusammen. Musik ist unser Leben“, sagt Zsuzsa Debre. Das ungarisch-finnische Paar hat das Haus mit dem ehrgeizigen Ziel gemietet, hier viele Klassikkonzerte zu veranstalten. Und dabei kein Minus zu machen. „Wir suchen weiter nach Mitgliedern für unseren Förderverein“, sagen die zwei.
Seit zwei Jahren sind sie Mieter in der trutzig wirkenden Villa, die aber durch riesige Fenster viel Licht hereinlässt und über beachtliche Weitblicke verfügt. Sie hat den großen Bombenangriff 1943 in Mülheim heil überstanden, nur ein Erker wurde getroffen. Am anderen Ende des Saals: ein Wintergarten mit weißen Sofas und Gartenblick. „Wir mögen dieses Haus sehr, es strahlt viel Wärme aus“, so Zsuzsa. Und es steckt voller Erinnerungen. Im Keller fand sie Schätze aus vergangenen Zeiten: Kandelaber, verzierte Wandlampen, Holzteile. „Ich habe alles stundenlang gewienert und den antiken Dingen ihren Platz zurückgegeben. Frau Mann war darüber fast zu Tränen gerührt. Sie hat hier früher übrigens auch mal Salonkonzerte veranstaltet.“
Gleich nebenan war früher die Küche. Man sieht es noch an der Durchreiche. Das sei nun die Bar für die Konzert-Pausen. Auch auf der Terrasse sitze man schön. Das alles hier könne man auch mieten, für Trauungen oder Feiern.
In der ersten Etage geht es stilvoll weiter. Das Wohnzimmer mit Kamin dient auch als Proberaum der Konzertmeisterin. Ein großes Schlafzimmer mit Balkon und Fernblick, ein gemütliches Zimmerchen mit Sofa und TV. Esszimmer mit Durchblick in die moderne Küche, in der sich die leidenschaftliche Köchin Zsuzsa austobt und viele Gäste bekocht. Vom Frühstückstisch aus hat sie die ganze Boverstraße im Blick.
Besuchergeschenke mit Bezug zur Tradition
Es geht noch höher hinauf. Genug Wände für Plakate von Künstlern und Konzerten gibt es überall. Ein Schild zeigt zu den „Rehearsal Rooms“ (Proberäume) im ausgebauten Dach. „2014 hatten wir einen internationalen Violinwettbewerb; die Musiker konnten bei uns übernachten, wir haben mehrere Schlafmöglichkeiten“, erzählt Szusza. Auch Unterricht ist in der Villa möglich. „Dies ist ein offenes Haus, in so einem schönen Haus darf man sich nicht verstecken.“
Der Finne und die Ungarin wissen es zu schätzen, dass sie in einer so geschichtsträchtigen Alt-Mülheimer Villa wohnen. Erkki Alste hat sich tief in die Geschichte der Ruhr-Industriellen vergraben und liest gerne und viel darüber, speziell natürlich über die Dynastie der Manns.
Zsuzsa Debre zeigt Besuchergeschenke mit Bezug zur Tradition, zum Beispiel Gläser mit dem Logo der Brauerei. „Die Leute, die hier zum Konzert kommen, erzählen uns oft wunderbare Haus- und Firmengeschichten von früher.“
Als ein Besucher dem Ehepaar eine Zeichnung der Fabrik schenkte, war die Freude groß. Beim Frühstück haben sie den gleichen Blick, den das Bild auch zeigt: Auf genau die Stelle unten an der Boverstraße, wo einst die Berg-Brauerei Mann stand.