Mülheim..

Angela Christians vom MST montiert mir persönlich das PDA-Führungssystem an mein Lenkrad, stellt das Navi auf Industriegeschichte ein und weist mich in die Geheimnisse der Nutzung ein. Ich habe mir an dem Spätsommertag vorgenommen, einen Teil der 17 Kilometer langen Strecke der zwölf industriegeschichtlichen Ruhrperlen abzufahren, um mein stadtgeschichtliches Wissen zu vertiefen.

Jede der 27 Stationen der drei Routen sei mit einer Edelstahl-Stele in Form einer Nadel gekennzeichnet, die mit High-Tec hinterlegt sei und ein Signal für den Navi aussende, erklärt mir die Touristikerin hilfsbereit. „Seitdem die Ausleihe des PDA-Gerätes mit der Ruhr-TopCard kostenlos ist, kommen viele Besucher aus den nördlichen Ruhrgebietsstädten. 17 Kilometer sind nämlich auch von Kindern gut zu schaffen. Für unsere jungen Gäste gibt es eine leichte, kindgerechte PDA-Version“.

Los geht’s in Richtung Ringlokschuppen und Camera Obscura. Die Route wird mir auf dem Navigationsgerät durch eine braune Linie angezeigt. Am Schloß Broich passiere ich eine von fünf Landschaftsinszenierungen, die „Schrottlaube“, die mit ihren zwei Bänken und dem schrottigen Skulpturen-Dach zum Verweilen einlädt, aber auch daran erinnern soll, dass das MüGa-Gelände früher teilweise ein Schrottplatz war. Kurz vor der Drehscheibe erklingt tatsächlich ein Geräusch, das mir signalisiert: Ich bin da!

Aquarius ist Schnittstelle

Ich drücke auf das Display, und schon erklingt der passende Infotext zur Geschichte des Lokschuppens. Die Quizfragen kann jeder beantworten, der aufmerksam zugehört hat, stelle ich schnell fest. Ich halte mich nicht lange auf, weiter geht’s an der Camera Obscura, ehemals Broicher Wasserturm und jetziges Museum zur Vorgeschichte des Films, vorbei zum Aquarius Wassermuseum.

Der Weg dorthin durch die Ruhrauen ist idyllisch und, wie überall, gut mit dem Rad zu befahren. Am Aquarius, der Schnittstelle der drei Routen, besteht die Möglichkeit eines ausführlichen Museumsbesuchs, für eine kulinarische Einkehr in historischem Ambiente bietet sich das italienische Restaurant im Schloß Styrum an. Beim Schloß schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Es begegnen sich zwei Routen, der Garten im Stil eines englischen Landschaftsgartens gehört zur blau markierten Ruhrnatur-Route, das Schloß als ehemaliger Wohnsitz der Generaldirektoren von August Thyssen zu braunen Route der Industriegeschichte. (Die Highlights der Perlen der Kultur sind pink markiert.)

Zu leise bei Autoverkehr

Wenn ich allerdings den Text zum Park hören möchte, müsste ich das Navi umprogrammieren. So ziehe ich der Einfachheit halber vor, den Info-Text zum Garten in meiner Broschüre zu lesen. Durch Styrum geht es weiter bis zur Autobahn, über die Ruhr zum Wasserkraftwerk Raffelberg von 1922. Das denkmalgeschützte Gebäude produziert heute noch genug Energie, um 6000 Haushalte mit Strom zu erzeugen, erfahre ich.

Um den Text mit dem Autoverkehr im Hintergrund verstehen zu können, muss ich das Gerät allerdings nah ans Ohr halten – für die Bedürfnisse einer Gruppe nicht praktisch.

Abkürzung durch Speldorf

Da ich nicht an einem Endpunkt der Route begonnen habe, stehe ich nun vor der Frage: Fahre ich die gleiche Strecke bis zur MüGa wieder zurück, um weitere Perlen der Industrie kennen zu lernen, oder kürze ich durch Speldorf ab. Als Ortskundige entscheide ich mich für Speldorf. Das Fahren der Route mit Hilfe der digitalen Karte wäre für Fremde nicht einfach zu erkennen gewesen, stelle ich fest.

Die Route der Industriegeschichte führt in Broich rechts ab zur Lederfabrik, dann weiter zum Kloster Saarn und durch die Saarner Ruhrauen wieder auf die linke Ruhrseite bergauf zum neobarocken Haus Urge, den Mülheimern auch bekannt als Stinnes- oder Zenit-Villa.

Da ich weiß, was mich erwartet, mogle ich und fahre direkt zum Wasserbahnhof, wo die Ausflugsschiffe der Weißen Flotte nach Essen-Kettwig ablegen. Auf dem Weg zurück zur Redaktion mache ich an der der Friedrichstraße, der (ehemaligen) „Straße der Millionäre“, halt .

In den Villen lebten vor rund 100 Jahren Bankiers, Druckereibesitzer und Lederfabrikanten. Dann noch rasch bergauf zum Altstadtfriedhof. Freunde historischer Friedhöfe kommen mit der Besichtigung der beeindruckenden Grabstätten der Industriellen-Familien Stinnes, Schmitz-Scholl, Thyssen, des Lederfabrikanten Coupienne auf ihre Kosten. Meine abgekürzte Testfahrt endet nach 13 Kilometern und knapp zwei Stunden.

Hätte ich alle Gelegenheit zur Rast und Besichtigungen genutzt, wäre wohl leicht eine Tagestour daraus geworden.