Düsseldorf/Mülheim. . Der 22-jährige Mülheimer Nezet S. muss im Gefängnis bleiben: Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte ihn, weil er nach Syrien gezogen war, um mit dem „Islamischen Staat“ zu kämpfen.
„Mülheimer Salafist“ nennt man ihn, „IS-Kämpfer aus dem Ruhrgebiet“ oder auch den „Terroristen von Mülheim“. Vielleicht etwas zu groß für Nezet S., aber der „kleine Fisch“, als den ihn sein Anwalt sieht, war er wohl auch nicht: Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den 22-Jährigen am Donnerstag zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Weil er in Syrien war, weil er dort den Umgang mit der Waffe lernte, weil er für den „Islamischen Staat“ kämpfte.
Der Bart war ab am ersten Prozesstag vor zwei Monaten, nun wächst er wieder, aber ein Rauschebart, wie ihn viele Salafisten tragen, wird es nicht mehr: Dafür, sagte der Angeklagte schon damals, reiche sein Haarwuchs nicht. Glaubt man Nezet S., will er auch kein Salafist mehr sein. „Großen Blödsinn“ habe er gemacht, habe sich von der islamistischen Szene abgewendet. Ein Jahr ist es nun her, dass er in Mülheim verhaftet wurde, nicht einmal so lange hatte es gedauert, dass der Schüler sich radikalisierte.
Nezet S. redete im September 2014 davon, sich wandeln zu wollen
Schon im September 2014 erzählte er seinen Eltern, er werde nun endlich einen Beruf erlernen, er zog den Kaftan aus und westliche Kleider an, traf sich mit Mädchen, auch zum Trinken. Nichts mehr zu sehen von dem Jungen, der mit den Salafisten den Koran verteilte, der in der Schule betete, im Unterricht Hassvideos guckte und zu Hause versuchte, seine wenig frommen Eltern aus dem Kosovo zu bekehren. Jedenfalls nicht mehr in Mülheim.
Im Internet jedoch, da gab es immer noch Nezet, der jetzt „Soldat Allahs“ und Abu Albani hieß: Seinen Freunden schickte er Fotos von sich mit der Waffe in der Hand, er verbreitete Mord-Filmchen, aber das alles nur, erzählte er den Richtern, um anzugeben, und weil er Angst hatte, die Häscher des IS würden ihn finden an der Ruhr. Das Gericht glaubte ihm nicht, konnte indes aber auch nicht nachweisen, wann und wo genau dieses eine berühmt gewordene Bild entstanden ist, das ihn in Kampfmontur zeigt. Nicht einmal Experten des Landeskriminalamtes konnten das.
Zu Fuß nach Syrien gegangen
Trotzdem steht für den 6. Senat fest: Der junge Mann, der wegen seines missionarischen Eifers vom Berufskolleg Lehnerstraße flog, der keine Ausbildung zu Ende brachte, aber vorbestraft war wegen Einbruchs und Körperverletzung – er reiste über die Türkei an die Grenze, ging zu Fuß nach Syrien, ließ sich dort ausbilden und zog mindestens einmal in den Kampf. Obwohl er Letzteres elf Prozesstage lang bestritt. Sein „Glück“, wie Verteidiger Eberhard Haberkern sagt: dass er es nicht aushielt in Syrien, dass er sich verdrückte unter dem Vorwand, Zahnschmerzen zu haben. „Die Vorstellung vom schönen Leben“, so Haberkern, „wurde konfrontiert mit der blutigen Wirklichkeit.“
Tatsächlich hatte Nezet S. geglaubt, es sei schön in Arabien, man könne dort ausschlafen und hätte viele Frauen. Wäre er geblieben, wohin sein Wunsch nach Heldentum ihn trieb, das ließ der Bundesanwalt durchblicken, wäre seine Strafe höher ausgefallen. Nun aber muss S. nach einem Jahr in U-Haft noch mindestens ein knappes weiteres im Gefängnis bleiben. Wegen der Fluchtgefahr, erklärte das Gericht. Und um „gemeinsam mit seiner Familie“ nachzudenken, über die Zukunft und doch noch: einen Beruf.