Mülheim. . Julia Bergmann (24) mag ihre kleine Wohnung, die alles andere als eine „Studentenbude“ ist. Nach dem Abi zog sie von Dümpten an den Muhrenkamp.
Manch alteingesessener Mülheimer ahnt nicht, dass die geschlossenen Häuserzeilen Muhrenkamp/Kämpchenstraße, Adolfstraße/Eduardstraße einen grünen, ruhigen Innenhof haben. „Ich kannte das auch alles vorher nicht“, sagt Julia Bergmann, die seit fünf Jahren in diesem Karree wohnt. Umso größer war anfangs die Überraschung, dass zur Wohnung nahe am viel befahrenen Dickswall ein so ruhiger Rückzugsort gehört. Und das mitten in der Stadt. Direkt nach dem Abi ist sie vom Elternhaus in Dümpten in den Muhrenkamp gezogen.
Die 24-Jährige studiert das für viele Ohren ungewohnt klingende Fach „Computational Mechanics“, die Kombination von Mechanik, Mathematik und Informatik. Dies allerdings nicht an der neuen Hochschule in Mülheim, sondern in Essen. „Damals habe ich mir diese Wohnung rausgesucht nach dem Motto: Ich möchte direkt in die U-Bahn steigen und zur Uni Essen durchfahren, ohne umsteigen zu müssen. Die Lage hier ist dazu ideal, man ist sofort in der Stadt und ganz schnell am Hauptbahnhof. Ich hatte mir mehrere kleine Wohnungen angeguckt. Diese hier fand ich total klasse, allein schon deshalb, weil sie so offen ist. Man hat den Eindruck, es geht alles ineinander über. Ich wohne sehr gerne hier.“
Hohe Decken und alte Holzdielen
Keine Tür vom Flur in die Wohnküche, ins helle Wohnzimmer mit ihrem Arbeitsplatz geht man durch einen Bogen. Die Sonne scheint schräg durch die Scheiben und beleuchtet den mit warmen Farben eingerichteten Wohnraum. Julia zeigt aus dem Fenster. „Der Innenhof ist etwas weiter hinten um die Ecke. Es ist eine Stadtwohnung, trotzdem habe ich die Ruhe im Grünen. Auch wenn das Internet mit W-LAN nicht reicht, um dort zu lernen.“
Bau der Siedlung startete 1922
Die ersten Gebäude der SWB-Siedlung wurden im Jahr 1922 erbaut und sind ein Stück Gesellschafts-, aber auch Wohnungsbaugeschichte. Die ehemalige Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“ errichtete sie mit dem Ziel, schnell Wohnraum in der aufstrebenden Bergarbeiterstadt Mülheim zu schaffen. So entstanden 158 eher kleinere Wohnungen.
Der großzügige Innenhof besteht aus Garagen, Rasenflächen, Grün und Spielgeräten. Seit Januar 1986 sind die Gebäude Teil des SWB-Bestandes, seit März 1986 stehen sie unter Denkmalschutz. Dadurch waren umfassende Modernisierungsmaßnahmen weitgehend ausgeschlossen. Deshalb modernisiert die SWB die Wohnungen bei einem Mieterwechsel.
Aber grillen, ja das macht sie öfter dort mit Freunden. Oder sie liegt auf der stillen Wiese und liest, mit Blick auf die alten Häuser, die vor fast hundert Jahren erbaut wurden. Eine historische Umgebung, ein gewisses Flair, ein Hauch der alten Geschichte Mülheims, das Wohnhaus unter Denkmalschutz – ist das etwas Besonderes für eine junge Frau? Das sei nicht ausschlaggebend gewesen, sich für diese Wohnung zu entscheiden, meint die Studentin. Aber die hohen Decken mag sie gerne, und die alten Holzdielen auch. Die seien natürlich sehr schön warm, wenn auch nicht gerade pflegeleicht, wie sie seufzend anmerkt.
Wohnküche mit Sprossenfenstern
Am meisten aber schwärmt Julia Bergmann von ihrer Küche. „Die Wohnküche mit dem großen Esstisch und den Sprossenfenstern ist einfach gemütlich. Ich kannte das auch von meinen Eltern her, dass der Wohn- und Kochbereich offen ist. Deshalb fand ich auch den Bogen zum Wohnzimmer so schön. Es passt einfach alles hier. Für mich war auch ganz wichtig, dass ich sofort oben am Schwimmbad bin; ich trainiere zweimal pro Woche eine Kindermannschaft im Südbad, da kann ich zu Fuß hingehen.“ Zusammen mit dem Studium füllt das Training ihre Woche gut aus. Wenn Julia dann noch Zeit übrig hat, liest und kocht sie gerne. Aber momentan hat sie „ein bisschen Stress“, denn vor ihr liegt ein aufwendiges Studienprojekt.
Wenn es nach ihr geht, würde sie noch lange hier wohnen bleiben. Aber im nächsten Jahr ist sie fertig mit dem Studium. Und wer weiß, wohin es sie im Job verschlagen wird. Bis dahin freut sie sich über ihre gemütliche, ruhige und doch zentrale kleine Wohnung in dem Quartier, das früher einmal „Neue Heimat Siedlung“ genannt wurde.