Mülheim. Das Theater an der Ruhr spielt alle seine Stücke jahrelang – doch keines kam so oft auf die Bühne wie „Der kleine Prinz“. Sonntag steht die 200. Aufführung an.

Ein gereiftes Repertoire hat das Theater an der Ruhr – im besten Sinne. Theatergründer Roberto Ciulli ist überzeugt: Gibt man Schauspielern Zeit, wächst ein Stück mit ihnen. Durch Sicherheit offenbarten sich neue Qualitäten. Er erlebt es immer wieder, wenn er in die Rolle des kleinen Prinzen schlüpft. Am morgigen Sonntag, 20. September, 18 Uhr, tut er das mit Maria Neumann zum 200. Mal. Ein Rekord am Raffelberg.

„Der kleine Prinz“ ist ein besonderes Stück basierend auf einem besonderen Text. Beliebt und bekannt ist er, gern zitiert wird er im Poesiealbum und auf Hochzeitskarten. Das „Lieblingsgeschenkbuch sämtlicher bundesdeutscher Nachkriegsgenerationen“ nennt das Theater das illustrierte Büchlein von Antoine de Saint-Exupéry. Für Schauspielerin Maria Neumann ist es „das Märchen des 20. Jahrhunderts“ und „zeitlos“. Gleiches gilt für das Stück, was vielleicht erklärt, warum es so oft wie kein anderes aufgeführt wurde und immer noch sein Publikum findet.

„Der kleine Prinz“ trifft auf sein altes Selbst

Im Theater an der Ruhr trifft „Der kleine Prinz“ auf sein altes Selbst, auf einen alten Mann, einen einsamen Säufer kurz vor dem Tod. Die Begegnung zweier Teile eines Ichs bringen Roberto Ciulli und Maria Neumann seit 15 Jahren auf die Bühne. Hälften, die sich miteinander vertraut machen, spielen sie und machen auch sich selbst dabei jedes Mal „immer wieder neu miteinander vertraut“. Deshalb sind die Akteure es auch nach 199. Aufführungen nicht leid, sondern „erleben das Stück“ jedes Mal neu. „Jede Aufführung ist anders“, sagt Roberto Ciulli, für den ein zentrales Thema des Prinzen das Reisen ist. „Wir sind immer Reisende auf eine Art und Weise und das ist eine schöne Metapher fürs Theater.“

Von einer Lebensreise erzählt der kleine Prinz des Theaters, vom Alter, Sterben, vom Abschied nehmen. Doch es geht auch im Freundschaft und um das, was wichtig ist im Leben. Eine „melancholische Atmosphäre“ bescheinigt Maria Neumann dem Stück. Eine Balance müsse man da finden, „auch darüber lachen können, um nicht von der Schwere des Themas erdrückt zu werden“. Eine „spielerische Leichtigkeit“, sagt Roberto Ciulli, wollen sie dem entgegensetzen und einen versöhnlichen Abschluss.

Anderthalb Jahrzehnte haben die beiden mit dem Stück verbracht. Mit den vergehenden Jahren kam ein neuer Blick auf den Text, auf das Thema. „Wir spielen es heute anders als vor 15 Jahren“, sagt Roberto Ciulli. Dennoch gibt es für beide noch immer Aha-Erlebnisse, ein „plötzliches neues Verstehen“, das alles verändert. „Das“, sagt Maria Neumann, „ist ein unheimlich glücklicher Augenblick.“

Premiere im September 2010

Erstmals kam „Der kleine Prinz“ am Raffelberg im September 2000 auf die Bühne. Es war das erste Stück, in dem Roberto Ciulli selbst mitspielte – und blieb es bis heute.

Premieren sind für Ciulli nur „ein Symbol“, ein Anfang aus dem Gutes entstehen kann. „Die Premiere ist immer die schlechteste Vorstellung – immer“, sagt der Regisseur, dessen Inszenierung „Rückkehr in die Wüste“ Freitag Premiere feierte. Für den kleinen Prinzen gilt das auf jeden Fall. Nur wenige Tage vorher, berichtet Ciulli, hatte er einen Motorradunfall auf dem Nürburgring. Mit gebrochenen Rippen, bandagiert und unter Schmerzmitteln stand er erstmals als kleiner Prinz auf der Bühne – und hatte beim finalen Monolog einen Blackout. „Maria hat versucht, mir mein Stichwort zu geben, aber das hat nichts genützt.“ Nach 15 Jahren können sie darüber lachen, „damals war das nicht lustig“. Das Publikum jedoch war gleich an begeistert. Nur das, sagt Ciulli, ist der Grund für die 200. Aufführung.