Mülheim. Die 14-jährige Delwin aus Syrien übersetzt für andere in Schule, VHS und Berufskolleg in Mülheim. Sie lebt selbst erst seit zweieinhalb Jahren in Deutschland.

Delwin Seydo geht weder shoppen noch ins Kino. Sie kümmert sich lieber um Menschen – ihre Familie, ihre drei Brüder, ihren Opa oder um Neuankömmlinge in Mülheim, denen sie mit ihren arabischen, kurdischen und deutschen Sprachkenntnissen hilft, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden.

Ganz besonders ist das große Engagement der selbstbewussten und freundlichen Syrerin. Außergewöhnlich aber ist, dass Delwin erst 14 Jahre alt ist und selber gerade seit zwei Jahren und sieben Monaten in Deutschland lebt. „Ich kenne das Gefühl sehr gut, wenn man Hilfe braucht und die Sprache nicht spricht“, sagt die Schülerin der Gesamtschule Saarn ernsthaft.

Einser-Zeugnis nach einem Schuljahr

Nachdem ihre jesidische Familie zuerst in Recklinghausen untergekommen war, konnte sie kurz darauf nach Mülheim umziehen. Bereits nach einem Schuljahr brachte sie von der Hauptschule im Hexbachtal ein Einser-Zeugnis nach Hause. So wechselte sie kurzentschlossen zur Gesamtschule Saarn, ist nun in der achten Klasse.

Auch dort hat sie bereits ausgezeichnete Noten, hilft im Sanitätsdienst und steht als Übersetzerin zur Verfügung. In ihren großen Pausen flitzt sie schnell rüber zum Berufskolleg, um in den Internationalen Förderklassen Fragen der Schüler zu beantworten oder Tipps zu geben, denn Delwin kennt sich in Mülheim inzwischen gut aus. Auch an der Volkshochschule, an der sie selber, vor allem während der „Sommer-VHS“, Förderkurse in Deutsch, Mathematik und Englisch besucht hat, loben VHS-Leiterin Annette Sommerhoff und Mitarbeiterin Esther Eckhardt die 14-Jährige. Sie habe viel zu einer besseren Kommunikation in den heterogenen Anfängerklassen beigetragen und sei für die Lehrkräfte eine große Hilfe gewesen.

"Ich muss nicht shoppen oder bei Facebook sein"

„Meine beiden Vorbilder hier in Deutschland heißen Maria“, erzählt Delwin strahlend. Die erste Maria habe ihr in Recklinghausen sehr geholfen, die zweite lebe mit ihrem Mann Horst in der Winkhauser Nachbarschaft, und beide seien immer für die Familie da. Deswegen helfe auch sie Menschen gerne. Wenn diese sich bei ihr bedankten, bitte sie sie, ebenfalls anderen zu helfen. „Ich muss nicht shoppen oder bei Facebook sein, ich gehe zur Schule, kümmere mich um meine Familie und helfe anderen Menschen“, so Delwin.

„Mir reicht das. Deswegen möchte ich auch Ärztin werden, denn mit diesem Beruf kann ich das sicher am besten erreichen.“

Ja, sie vermisse ihre Heimat sehr, gibt sie zu, aber dort hätte sie nur bis zur sechsten Klasse die Schule besuchen können. So sei Deutschland für sie eine große Chance. Ihre Eltern, Akram Seydo und Nura Rasho, sind stolz auf ihre Tochter und auch auf ihre Söhne, die jünger, aber bereits ähnlich hilfsbereit sind. Vater Akram Seydo ist dankbar: „Deutschland hat so viel für mich und meine Familie getan, das möchte ich ebenfalls zurückgeben.“ Auch er lernt Deutsch, um bald arbeiten und vielleicht auch für andere übersetzen zu können.

22 Förderkurse an der Jungen VHS

Rund 200 Schüler jeden Alters, vorwiegend mit Migrationshintergrund oder vergleichbarem Förderbedarf, besuchen aktuell 22 Kurse der „Jungen VHS“, berichtet Volkshochschul-Mitarbeiterin Esther Eckhardt. Junge Menschen von den Klassen 2 bis 10 kommen freiwillig nachmittags zur Bergstraße 1-3, um am Deutsch-, Englisch- oder Mathematik-Förderunterricht teilzunehmen – manche nehmen sogar an Kursen in allen drei Fächern teil, um ihre Schulkenntnisse zu vertiefen.

„Einige Schüler kommen wirklich neben ihrem normalen Schulunterricht noch dreimal in der Woche nachmittags zum Förderunterricht“, weiß Esther Eckhardt, immer wieder beeindruckt vom Lernwillen der Schüler.

Viele kommen aus eigenem Antrieb oder auf Anraten ihrer Lehrer oder Eltern. Die Klassen sollten nicht mehr als zwölf Teilnehmer haben. „Wird die Gruppe viel größer, können wir sie teilen,“ so Eckhardt.

Geleitet werden die Förderkurse von sogenannten Dilim-Honorarkräften (Deutsch- und interkulturelles Lernen in Mülheim), meist Studenten, die dank eines Ratsbeschlusses von 2003 beschäftigt werden können. Die Kurse, auch für Seiteneinsteiger mit unterschiedlichen Sprachniveaus, sind kostenlos und für jeden offen, betont die Leiterin der Jugend-VHS, die regelmäßig alle Schulen über das bestehende Kursangebot informiert. Allein in den letzten drei Jahren habe es rund 800 Kursteilnehmer gegeben.