Mülheim. Keine Zelte, sondern feste Behausungen sollen den Flüchtlingen auf dem Saarner Kirmesplatz als Unterkunft dienen. Rund 700 Besucher waren bei der Info-Veranstaltung von Stadt und DRK in der Harbecke-Sporthalle.
Nicht in Zelten, sondern in Holzhäusern werden die 600 Flüchtlinge auf dem Kirmesplatz in Saarn untergebracht, wie Frank Langer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) am Dienstagabend in der Harbecke Sporthalle vor über 700 Interessierten erläuterte. In jeder dieser Hütten sollen 60 Personen untergebracht werden. Durch Rigipswände werden Zimmer abgetrennt. Auf 16 Quadratmetern befinden sich dann zwei Stockbetten, ein Tisch und vier Stühle. Außerdem sind drei stabile und beheizbare Versorgungszelte mit einer Größe von jeweils 700 Quadratmetern vorgesehen.
Dort können sich die Flüchtlinge auch in ihrer Freizeit aufhalten. Außerdem wird eine hinreichend große Anzahl von Dusch- und Toilettencontainern aufgestellt, die direkt ans Kanalnetz angeschlossen werden. Auch Waschmaschinen und Trockner werden vorhanden sein. „Durch diese Lösung können wir den Menschen ein Mindestmaß an Privatsphäre bieten. Das ist besser als in einer Halle 200 Feldbetten nebeneinander zu stellen“, sagte Langer. Im Gegensatz zu Zelten haben diese Hütten auch Fenster.
"Flüchtlinge sollen sich nicht fühlen wie in einem Zoo"
Das Gelände soll durch einen begrünten Metallgitterzaun umgeben sein, kündigte er an. Allen Flüchtlingen und auch den ehrenamtlichen Helfern werde ein Ausweis ausgehändigt, den sie beim Betreten des Geländes vorzeigen müssen. „Wir wollen keinen Tourismus, die Flüchtlinge sollen sich nicht wie in einem Zoo fühlen“, so Langer.
Im Gegensatz zu den anderen städtischen Unterbringungen, wo nur ein städtischer Kümmerer oder ein Mitarbeiter rund um die Uhr vorgesehen ist, wird am Kirmesplatz ein dreiköpfiger Sicherheitsdienst vor Ort sein. Es wird auch verbindliche Regeln und eine Hausordnung geben. Das komplette Flüchtlingsdorf wird allerdings in Etappen ausgebaut und voraussichtlich erst im Januar in Gänze belegt sein. Die Beschaffung der Häuser kostet laut Stadtsprecher Volker Wiebels 1,9 Millionen Euro. Wie hoch die Gesamtkosten für die Unterbringung der Flüchtlinge auf dem Kirmesplatz sein werden, kann derzeit noch nicht gesagt werden, da der Bestellprozess noch nicht abgeschlossen sei. Anfang Oktober werden die ersten 80 Flüchtlinge zunächst noch provisorisch in einem Container untergebracht, der später durch Holzhäuser ersetzt wird, die nicht so schnell lieferbar sind. Pro Woche werde das Dorf dann voraussichtlich um 60 Personen wachsen. Ohne hauptamtliche Helfer geht das nicht. DRK-Mann Langer rechnet mit 30 Hauptamtlichen.
Unterricht für Flüchtlinge
Bei der Betreuung setzen die Hilfsorganisationen auch auf die Unterstützung aus der Bürgerschaft und wollen das Team Mülheim aufbauen. Alleine am Dienstag haben sich nach der Veranstaltung über 150 Personen gemeldet, die helfen wollen. Wichtig sei es, dass sich die Helfer registrieren und angeben, worauf sie Lust haben und worin ihre Kompetenzen bestehen. Er bat aber schon mal vorab für Verständnis dafür, wenn die Antwort etwas länger als erwartet auf sich warten ließe. „Die Resonanz ist einfach so groß, dass wir Zeit brauchen, alles abzuarbeiten.“ Ab November soll ein Dienstplan stehen. „Aktionismus bringt uns nicht weiter“, so Langer. Er appellierte an die Hilfswilligen von Lebensmittelspenden abzusehen. Auch Sachspenden sollten nur ins Flüchtlingsdorf gebracht werden, wenn sie tatsächlich gebraucht werden, da es keine Lagermöglichkeiten gibt.
Weniger Menschen vom Balkan
Die für viele Mülheimer interessanteste Frage – nämlich woher die Flüchtlinge stammen – kann Sozialdezernent Ulrich Ernst nicht beantworten, denn auch die Stadt wisse das im Voraus nicht. In der Regel benachrichtigt die Bezirksregierung zwei oder nur einen Tag im Voraus.
Zuletzt seien vor allem Syrer gekommen, der Anteil der Menschen aus dem Balkan sei inzwischen auf unter zehn Prozent gesunken. Ernst wies aber darauf hin, dass sich unter den zehn wichtigsten Aufnahmeländer von Flüchtlingen – wie die Türkei oder der Libanon – kein einziges EU-Land befindet. 4 Millionen Syrer haben es geschafft, ihre Heimat zu verlassen. Etwa 2 Millionen leben in der Türkei und eine Million im Libanon. Bislang sind etwa ein Drittel der Flüchtlinge Frauen und die Hälfte jünger als 25 Jahre. Ein Viertel der Flüchtlinge sind im schulfähigen Alter. Viele von ihnen seien auch gut qualifiziert, die Hürden, sie in Beschäftigung zu bringen aber seien noch hoch. Gemeinsam mit Hilfsorganisationen bastelt die Verwaltung an Projekten.
Kommentar von Andreas Heinrich
Stadtverwaltungen ernten selten Lob, gepoltert wird dagegen oft. In diesen Wochen ist alles anders. In einer der vielleicht schwierigsten Phasen überhaupt, wo für Tausende von Flüchtlingen Unterkunft organisiert, Betreuung gesichert und Integration vorbereitet werden muss, erhält sie reichlich Anerkennung – zu Recht.
Es ist bisher nicht nur gelungen, allen Menschen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, sondern auch das Klima von Hilfsbereitschaft, von sozialem Frieden zu erhalten. Das hat viel mit der Transparenz und der frühzeitigen Aufklärung zu tun. Noch nie hat die Stadtverwaltung derart kleinteilig und umfassend Bürger über Entscheidungen, die ausgeführt werden müssen, informiert, sich den Fragen gestellt, dabei nie beschönigt, Probleme nicht verschwiegen. Der Bürger, der gerade in Mülheim häufiger mal darüber klagt, „nicht mitgenommen zu werden“, staunt und honoriert.