Mülheim/Ruhr. Die Initiative “Foodsharing“ postet jeden Tag Fotos von Lebensmitteln, die in Mülheim gespendet werden, bei Facebook. Interessenten sind schnell da.
Jeden Tag gegen 10 Uhr ist es soweit: Dann postet Anja Schellberg von der Initiative „Foodsharing“ bei Facebook ein Foto von den Lebensmitteln, die an diesem Tag an ihrem Haus in Speldorf abgeholt werden können. Schon wenige Minuten später stehen die ersten Abholer vor der Tür. „Bis zu 30 Menschen kommen hier pro Tag vorbei“, berichtet Schellberg. Das Angebot variiert von Tag zu Tag.
Spenden von Geschäften
Es sind Spenden von Geschäften aus der Lebensmittel-Branche, die diese sonst wegwerfen würden. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Waren verdorben sind. Die überschüssigen Lebensmittel sind eben kein „Müll“. Beim Salat muss vielleicht mal ein Blatt abgeschnitten werden, die Aubergine ist etwas eingedrückt, die Kartoffeln haben eine seltsame Form. Alles ist ohne Probleme essbar, aber die Händler wissen, ihre Kunden im Geschäft würden es nicht mehr kaufen.
„Foodsharing“ verfolgt dabei einen anderen Ansatz als etwa die Mülheimer Tafel der Diakonie. „Wir sehen uns nicht als diejenigen, die die Hungernden speisen. Uns ist am wichtigsten, dass vermeintlich überschüssiges Essen nicht einfach achtlos weggeworfen wird“, erklärt Schellberg. Die Initiative zielt auf Nachhaltigkeit. So soll es bald auch ein Kochbuch geben, in dem Tipps zu lesen sind, wie man besser seinen Lebensmittel-Haushalt auf seine tatsächlichen Bedürfnisse abstellt. „Überschüssiges Obst kann man zum Beispiel einkochen.“
Jeder, der will, kann sich am Foodsharing-Angebot bedienen
Mit Blick auf die Spender heiße das: „Die Händler merken ja durch uns, wie viel überschüssige Ware sie haben. Wenn sie das den eigentlichen Bedürfnissen anpassen würden, wäre das für uns ein Erfolg. Auch wenn das letztlich weniger Spenden für uns bedeuten würde.“ Aber auch wenn dies also nicht die Hauptzielrichtung ist: Viele der Spenden-Abholer sind bedürftig. Da ist die alte Dame, die nur eine kleine Rente hat. Oder auch der Student, der auf diese Weise seine Haushaltskasse schont. Schellberg fragt jedoch nicht nach den Gründen. Jeder, der will, kann sich an dem Angebot bedienen.
Viele Menschen erzählen aber von sich aus. „Den Verteiler hier gibt es seit letztem Jahr. Der Standort hat sich auch zu einem Kommunikationspunkt im Viertel entwickelt.“ Es sollen in Zukunft weitere Standorte dazukommen. Schon jetzt gibt es eine Ausgabe in Holthausen, Ende August wird eine weitere in Winkhausen in einer SWB-Siedlung eröffnet. „Unser langfristiges Ziel ist es, in jedem Stadtteil vertreten zu sein“, berichtet Schellberg. Allerdings braucht es dafür auch personellen Kapazitäten: Insgesamt gibt es vor Ort 22 Aktive. Alle arbeiten ehrenamtlich. „Das ist oberster Grundsatz bei ,Foodsharing’: Es läuft alles ohne Geld“, betont Anja Schellberg. Das gilt auch für die 47-Jährige selbst, obwohl ihr Ehrenamt im Moment 28 Arbeitsstunden pro Woche bedeutet.
Gruppe verzeichnet regen Zulauf
Schellberg ist es nämlich, die jeden Tag – nur sonntags nicht – früh am Morgen die Lebensmittel abholt. Diese Funktion kann nicht jeder Aktive ausüben, denn zuvor muss ein Test bestanden werden. Normalerweise teilt sich Schellberg diese Aufgabe mit einer anderen Aktivistin. Doch im Moment ist diese krank, also muss Schellberg jeden Morgen los. Dies ist auch deswegen misslich, weil die Mülheimer Gruppe im Moment besonders viel Interesse wachruft. Sie existiert bereits seit 2013, hat aber in den letzten Tagen und Wochen regelrechte Rekordzugänge verzeichnet. Daher wünscht sich auch Anja Schellberg für die Zukunft: „Wir hoffen, so auch mehr Mitstreiter zu bekommen.“