Duisburg. Prof. Dr. Rainer Meckenstock wurde mit einem der renommiertesten Forscherpreise der EU ausgezeichnet. Er arbeitet an der Uni Duisburg-Essen.

Die meisten Verbraucher nehmen Erdöl wohl vor allem als braune Masse wahr, die zwar Energie liefert, in der Leben aber nicht möglich erscheint. Prof. Dr. Rainer Mecken­stock sieht darin viel mehr: Einen Rohstoff, in dem das Leben der Mikroben tobt. Ihm und seinem Team ist es gelungen nachzuweisen, dass Wasser und damit auch kleinste Organismen im Öl arbeiten – eine weltweite Sensation in der Mikrobiologie. Dafür wurde er mit dem Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) ausgezeichnet, einem der renommiertesten internationalen Forschungspreise.

Die 2,5 Mio. Euro Preisgeld investiert der Wissenschaftler der Uni Duisburg-Essen (DUE) natürlich in sein Herzensprojekt: die Erforschung des Erdöl-Abbaus. Wir haben den 50-Jährigen an seinem Arbeitsplatz im Biofilm Centre am Campus Essen besucht.

Seit Oktober 2014 leiten Sie den Lehrstuhl für Aquatischen Mikrobiologie – dort werden die kleinsten Lebewesen in ihren Lebensräumen untersucht. Was fasziniert sie eigentlich an diesen Mikroben?

Dr. Rainer Mecken­stock: Mikroorganismen sind die Herrscher der Welt! Sie sind überall zu finden, an jedem Ort der Natur, und sie beeinflussen viele Prozesse. Spannend ist für mich vor allem die Frage, warum und unter welchen Bedingungen Mikroorganismen Schadstoffe abbauen. Darüber gibt es noch wenig fundierte Kenntnisse. Denn ein Abbau findet immer nur dort statt, wo die Lebensbedingungen für die Mikroben gut sind. Diese Bedingungen zu ergründen, das treibt mich an.

Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie zur Uni Duisburg-Essen gekommen sind?

Mecken­stock: Davor habe ich elf Jahre lang als Direktor das Institut für Grundwasserökologie am Helmholtz Zentrum München geführt. Dort lag der Schwerpunkt meiner Arbeit in der Erforschung des anaeroben Abbaus von Grundwasser-Schadstoffen. Mit dem Lehrstuhl in Essen wollte ich mich beruflich verändern und freier arbeiten können. Und das Ruhrgebiet hat mich als Forschungsstandort gereizt. Da unsere vier Kinder bereits erwachsen sind, bin ich mit meiner Frau von Tübingen nach Mülheim gezogen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, im Erdöl zu forschen?

Mecken­stock: Vor etwa vier Jahren hielt ein befreundeter Wissenschaftler einen Vortrag über den Pitch Lake in Trinidad – dieser ist etwa so groß wie 20 Fußballfelder und damit der größte natürliche Teersee der Erde. Im Rohstoff Öl befinden sich viele Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), das sind Giftstoffe, die zum Beispiel in Tabakrauch vorkommen – und eben in Teer. Als Spezialist für den Abbau dieser PAK fand ich beste Bedingungen im Teersee, um anaerobe Mikroben zu analysieren. Außerdem gilt: Spektakuläre Wissenschaft kann man gut an spektakulären Orten machen.

Was haben Sie in Trinidad erforscht?

Mecken­stock: Zunächst bin ich mit einem kleinen Team hingeflogen, um die Situation vor Ort zu bewerten. Dort haben wir Gasblasen in den Teerbrocken entdeckt. Das brachte mich auf die These, dass ein Abbauprozess bereits im Erdölreservoir stattgefunden haben muss. Ein Jahr später sind wir dann noch einmal mit unserer Ausrüstung angerückt, haben Proben genommen und professionell untersucht.

Was haben Sie dabei entdeckt?

Mecken­stock: Wir haben dort tausendstel Milliliter große Wassertröpfchen gefunden, in denen Mikroorganismen das Öl von innen heraus abbauen. Wir konnten beweisen, dass die Wassertröpfchen direkt mit dem Öl aus mehreren hundert Metern Tiefe an die Oberfläche kamen. Sie waren also wahrscheinlich schon im Erdölreservoir eingeschlossen, wo die Mikroorganismen das Öl abbauen konnten. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Öl nur an der Kontaktfläche mit Wasser abgebaut werden kann. Diese Entdeckung stellte ein grundlegend neues Konzept der Abbauprozesse auf.

Was haben diese neuen Erkenntnisse für konkrete Auswirkungen?

Mecken­stock: Die Ölindustrie kann nun verbesserte Modelle erstellen, wie sehr der mikrobielle Abbau von Öl-Lagerstätten bereits fortgeschritten ist. Die Erkenntnisse könnten sich auch dafür nutzen lassen, wenn große Mengen Öl in den Untergrund oder ins Grundwasser geraten.

Wussten Sie bereits bei Ihren Untersuchungen, dass Sie eine große Entdeckung gemacht haben?

Mecken­stock: Es gab einen Moment, da wusste ich: Das ist was Großes! Dann habe ich meine Ergebnisse in der ­renommierten Zeitschrift ­„Science“ publiziert. Den Antrag für den ERC-Forschungspreis habe ich gestellt, als ich bereits an der DUE war. Als die Zusage dann per E-Mail kam, habe ich mich riesig gefreut.

Was bedeutet die Auszeichnung für Sie und Ihre Arbeit?

Mecken­stock: Als Wissenschaftler muss man sich Bestätigung ja immer selbst schaffen. Daher ist das eine großartige Motivation für meine Arbeit. Man könnte sagen, dass es der bisherige Höhepunkt meiner beruflichen Karriere ist.

Mit dem ERC-Geld ist außerdem die Forschung für die nächsten fünf Jahre gesichert. Sechs neue Mitarbeiter werde ich ab September einstellen können. Dann geht es darum, genauer die Lebensbedingungen der Mikroben zu untersuchen: Wie haben sie es geschafft, trotz extremer Bedingungen im 50 Grad warmen Öl zu überleben? Wie funktioniert das Leben im Öl genau?

Womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie mal nicht im Labor oder am Schreibtisch arbeiten?

Mecken­stock: Ich treibe gerne Sport, gehe joggen und fahre täglich mit dem Rad von Speldorf nach Essen zur Arbeit. In Mülheim gefällt es mir sehr gut. Neben den Mikroorganismen beschäftige ich mich als Hobby-Imker außerdem gerne mit Bienen.