Mülheim. Volker Becker-Nühlen ist seit drei Jahren 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Mülheim. Jetzt steht er zudem noch der Gewerkschaft in Essen vor.

Da, wo Volker Becker-Nühlen vor über 40 Jahren seine Lehre als Werkstoffprüfer bei der Thyssen Niederrhein Oberhausen begann, steht heute der Einkaufstempel Centro. Eine Entwicklung, die als Inbegriff für den Niedergang der Industrie und den Strukturwandel im Ruhrgebiet steht und die bis heute die Arbeit des 62-Jährigen bestimmt. Becker-Nühlen ist seit drei Jahren 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Mülheim und zudem vor kurzem zum neuen Chef der IG Metall in Essen gewählt worden.

Der Verlust Zehntausender Industrie-Jobs in der Region jedoch zwingt die IG Metall zu Veränderungen, wenn sie nicht an Schlagkraft einbüßen will. Die beiden Verwaltungsgeschäftsstellen in Mülheim und Essen arbeiten schon länger zusammen. Einen gemeinsamen Bevollmächtigten für beide Städte zu bestimmen, ist jetzt der nächste Schritt.

Fast 20 Prozent der Industriearbeitsplätze weggebrochen

Natürlich habe es Bedenken gegeben, ob die Gewerkschaft ihre lokale Verwurzelung ein Stück weit aufgeben würde. „Doch der Weg ist richtig“, sagt Becker-Nühlen. Ob er sogar dahin führen wird, dass es einst nur noch einen Chef und eine Geschäftsstelle für Essen, Mülheim und Oberhausen gibt, darüber will er nicht spekulieren. Im nächsten Monat wird er 63. „Wer weiß, was in zwei Jahren ist.“

Der Blick zurück zeigt die Dramatik, mit der die Gewerkschaft zu kämpfen hat: In der Region mit Mülheim, Essen und Oberhausen zusammen sind in den vergangenen 15 Jahren fast 20 Prozent der Industriearbeitsplätze weggebrochen. Und der Abbau geht weiter, allein Siemens will hunderte Jobs streichen. Mit Sorge blickt Volker Becker-Nühlen ebenso auf die Entwicklungen bei Vallourec, Europipe und der Gießerei.

"Müssen zum Akteur werden"

An eine Renaissance der Industrie, wie sie mancher herbeiredet, würde Becker-Nühlen zwar gern glauben. Seine Realität ist eine andere: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir wenigstens das erhalten, was wir noch haben“, sagt er und weiß, dass der Druck auf die Gewerkschaft – Zugeständnisse zu machen – zunehmen wird.

Gegen den Mitgliederrückgang

Auch bei der Mitgliedergewinnung müsse die IG Metall neu denken, so Becker-Nühlen. Denn der Wandel hin zu Dienstleistungen auch im industriellen Sektor rücke die Angestellten in den Fokus. Die seien aber schwieriger für die Idee der Gewerkschaft zu gewinnen.

Die IG Metall müsse daher neue Angebote machen, seien es Arbeitszeitmodelle oder Themen wie Bildung und Gesundheit.

Die IG Metall habe sich Lösungen nie verweigert. Allerdings ist die rote Linie für Becker-Nühlen dabei abgesteckt: Es müsse darum gehen, wie Arbeit besser werde. „Den Wettlauf, billiger zu sein, den werden wir hier nicht gewinnen.“ Stärker als bislang will die IG Metall ihre Stimme daher bei industriepolitischen Themen erheben. „Wir müssen zum Akteur werden“, unterstreicht Becker-Nühlen. Das Ziel sei klar: Arbeit in Mülheim zu belassen, ebenso wie mehr Arbeit nach Mülheim zu holen.