Mülheim. Die Trilogie ist beendet, aber das Projekt „Ruhrorter“ mit Flüchtlingen vom Theater an der Ruhr geht weiter. Ehrenamtliches Engagement.

Das Flüchtlingsthema zieht sich quer durch die aktuelle Theaterlandschaft. Heikel wird es dann, wenn diese Menschen in Inszenierungen ohne erkennbare Notwendigkeit auf der Bühne zur Schau gestellt werden. Gerade diesen flüchtigen, oberflächlichen und emotionsgeladenen Umgang will das Theater-Projekt „Ruhrorter“ vermeiden, setzt dabei tiefer und nachhaltiger an. „Wir gehen über die Kunst“, sagt Jonas Tinius.

Die Forschung spielt dabei ebenfalls eine Rolle, denn der Mülheimer, der im britischen Cambridge Anthropologie studiert, schreibt gerade seine Doktorarbeit über das Theater an der Ruhr, seine politischen Tendenzen und die Arbeit als Institution. „Ein wichtiger Teil dabei ist, wie sich das Theater mit dem Thema Fremdsein auseinandersetzt“, sagt Jonas Tinius.

Arbeit geht nach der Trilogie weiter

Das Projekt „Ruhrorter“ gehört dazu. Jonas Tinius, Adem Köstereli und Wanja van Suntum, die sich über das Junge Theater an der Ruhr kennengelernt hatten, starteten es vor drei Jahren. Drei Theaterstücke wurden mit Flüchtlingen erarbeitet: Die Trilogie „Ein Stück von mir“, „Zwei Himmel“ und „Die Nacht meines Anfangs“ zog sich vom Raffelberg über ein ehemaliges Asylbewerberheim an der Ruhrorter Straße bis zum Ex-Frauengefängnis zur Stadtmitte. Theater an realen Orten, die Beklemmung und Ausgrenzung nachvollziehbar machen, mit erlebten Geschichten und angereichert durch Kunst, Installationen und Hintergrund-Informationen.

„Die Trilogie ist beendet“, sagt Jonas Tinius, „aber die Gruppe und und das Projekt gehen weiter, institutionell und ideell unterstützt vom Theater an der Ruhr.“ Über weitere Projekte in der großen Klammer Theater, Kultur, Netzwerk- und Flüchtlingsarbeit sei man derzeit im Gespräch. Institutionen im Ruhrgebiet wollen den Dialog mit dem Theater an der Ruhr fortsetzen.

Überregionale Beachtung für das Projekt

Nach drei Jahren zieht Tinius ein positives Fazit: „Wir haben drei Stücke gemacht, die sich gerade nicht über die Sprache und individuelle Schicksale entwickelt haben.“ Stattdessen habe es eine Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Neuangliederung in eine Gesellschaft über Bilder, Raum und Traum gegeben.

Andere Möglichkeiten zur Reflexion eröffnen

Der Name „Ruhrorter“ beschreibt den Ausgangsort des Projektes. Die Ruhrorter Straße verbindet das Theater an der Ruhr mit der Innenstadt. Die Trilogie ging den Weg von der Peripherie ins Zentrum.

Das Projekt versteht sich nicht als verlagerte Sozialarbeit, sondern möchte eigene Formen schaffen, die andere Möglichkeiten zur Reflexion sozialer Problembereiche eröffnen.

Dass „Ruhrorter“ ein Projekt ist, das sich dem Thema weitreichender und komplexer nähert, zeigt sich an der überregionalen Beachtung und nicht zuletzt durch einen zweiten Preis der Freddy-Fischer-Stiftung. Adem Köstereli und Wanja van Suntum sind bei Treffen der ehrenamtlichen Asylbegleiter dabei. Köstereli bringt sich beim Integrationskonzept der Stadt ein. Außerdem organisieren sie Gruppenbesuche im Theater.

Kern des „Ruhrorter“ Ensembles sind 15 Menschen aus vielen Nationen. Abschiebungen musste die Gruppe erleben, aber es gibt auch neue Leute und Teilnehmer, die von Anfang an dabei sind. „Durch das Theater-Projekt haben sie so viele neue Schritte gemacht und sich verändert“, sagt Tinius: „Das hat viel mehr geholfen, Fragen zu entwerfen, als über Personen und Schicksale nachzudenken“.