Mülheim. . Premiere des Flüchtlingsprojekts „Ruhrorter“ mit dem Theaterstück „Und die Nacht meines Anfangs“. Der Aufführungsort ist ein ehemaliges Gefängnis. Nicht der Inhalt, sondern der Prozess macht das Stück sehenswert.

Es ist stockfinster im Kellergang des ehemaligen Frauengefängnisses gleich neben dem Amtsgericht. Vom vermuteten Ende des Gangs kommt eine geisterhafte Figur, die nach und nach Räume, und damit Einblicke öffnet in surreale Welten: eine Frau schreitet im Kreis über das blanke Gitternetz eines Zellenbetts, ein Mann sonnt sich im grellbunten Neonlicht seiner Zelle – ausgestreckt in einem Schubkarren.

Es ist die widersprüchlich-verstörende Welt von Flüchtlingen, die das Theaterstück „Und die Nacht meines Anfangs“ vermittelt. Aber keineswegs eine völlig trostlose, obwohl der Beginn dieser Aufführung in drei Teilen dort, in der öden Warteschleife jedes Flüchtlingsdaseins, seinen Anfang nimmt.

Weitere Aufführungen im Juni

Der Ort, das Frauengefängnis, das nach seiner Schließung als Abschiebeknast für illegale Flüchtlinge dient, ist alles andere als ein schöner. „Ich habe viel in hässlichen Gebäuden gearbeitet. Jedes Gefängnis stinkt nach Urin“, gesteht ein Pfarrer und ehemaliger Betreuer der Insassen in einem Interview an einer zweiten Station des Stücks. Ein Leiter der Ausländerbehörde berichtet, wie er und seine Mitarbeiter geweint haben, als sie Mutter und Kind trennen mussten, weil es im Knast keine Kinderbetreuung gab.

Und doch gelingt es den Akteuren des Stücks – fünf Flüchtlinge, die seit einiger Zeit in Mülheim und Oberhausen leben – , selbst diesen Unort mit Hilfe der Kunst zu transformieren, ihn mit Leben, mit Liedern, Tanz und auch mit Witz zu füllen. Der Innenhof wird im dritten Teil der Aufführung zu ihrer Spielstätte, ein Sinnbild ihrer eigenen Veränderung.

Damit bringt „Und die Nacht meines Anfangs“ auf ganz leichte wie gelungene Weise etwas buchstäblich ans Tageslicht, das in vielen Schicksalsberichten und emphatischen Geschichten kaum erzielt wird: aus der eindimensionalen Figur des Flüchtlings entstehen wieder erkennbar vielschichtige Menschen, Künstler. Es ist daher nicht allein der Inhalt des Theaters selbst, sondern dieser Prozess, der das Stück sehenswert und wertvoll macht.

Weitere Aufführungstermine: 19.-21. , 26./27. Juni. Beginn jeweils um 20 Uhr. Karten (5,-/10,- Euro) unter Tel. 59 90 188. Infos: Theater an der Ruhr