Mülheim. 462 Menschen wandten sich 2014 an das Drogenhilfezentrum der Arbeiterwohlfahrt. Seit Monaten mangelt es aber am Personal für die Betreuung.

Es war ein Schritt, der den zehn Mitarbeitern des Drogenhilfezentrums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) alles andere als leicht gefallen ist – doch er hat sich bewährt: Seit Dezember 2014 gestattet das Team das Biertrinken im Café Light, dem Treffpunkt für Heroinabhängige an der Gericht­straße.

Der Alkohol wird zwar nicht verkauft, doch Besucher dürfen bis zu vier Flaschen Bier am Tag mitbringen. Ein Großteil von ihnen habe auch ein Alkoholproblem, und dieses könne man nun viel einfacher thematisieren, erklärt Diplom-Pädagogin Jasmin Sprünken. „Außerdem kommen so auch Menschen zu uns, die früher nicht kamen, oder die zwischendurch rausgegangen sind, um mal eben mit Schnaps auf ihren Pegel zu kommen.“ Laut Awo-Geschäftsführer Lothar Fink habe eine Befragung unter Besuchern gezeigt, dass Dreiviertel von ihnen die neue Regelung akzeptiert. „70 Prozent sind jetzt sogar häufiger da und 80 Prozent bleiben länger.“

Beratung, Therapie oder ambulant betreutes Wohnen

Süchtige Menschen erreichen und ihnen dann helfen: Darum geht es in der täglichen Arbeit des Drogenhilfezentrums. Einst gab es eine Beratungsstelle, und das war’s, so Lothar Fink. Etliche Konsumenten habe man daher nie zu Gesicht bekommen. Nun aber, da man breiter aufgestellt ist und alles an der Gerichtstraße gebündelt hat, sei das anders: Neben der Beratungsstelle sowie der Anlaufstelle Café Light zählen die Psychosoziale Betreuung zum Angebot sowie die Bereiche Betreutes Wohnen und Streetwork. „Ich glaube, dass wir damit heute an fast alle Heroinabhängigen herankommen.“

Zum Klientel gehören auch Abhängige anderer illegaler Drogen wie Cannabis oder Amphetaminen bzw. Speed, die in Mülheim auf dem Vormarsch seien.

Insgesamt wandten sich im vergangenen Jahr 462 Menschen ans Drogenhilfezentrum, ein Drittel davon war weiblich. 169 Kunden nutzten das Angebot zur Beratung, 48 davon waren Angehörige oder Bekannte. „Jeder, der sich Sorgen macht, der Fragen hat, kann kommen“, sagt Jasmin Sprünken. 64 Menschen wurden zudem in eine Therapie vermittelt und 45 nahmen das Angebot des ambulanten betreuten Wohnens wahr, darunter etliche ältere Süchtige.

Viele Süchtige werden erreicht

Dass man heutzutage viele Männer und Frauen erreiche, „dass unsere Arbeit also erfolgreich ist“, so Fink, zeige zudem die Zahl derer, die substituiert, sprich von Ärzten mit legalen Ersatzstoffen versorgt wird. „Sie steigt seit Jahren“, und habe 2014 mit 233 Mülheimern ihren vorläufigen Höchststand erreicht.

Noch mal zum Café Light, das untergebracht ist in der einstigen Gefängniskapelle und täglich 60 bis 80 Besucher empfängt: Für diese Menschen, die bedingt durch das Heroin oft wenig Struktur in ihrem Alltag haben, sei der Ort sehr wichtig. Dort gibt es Mahlzeiten und gute Gespräche. Das allerdings nur, wenn ausreichend Personal dafür vorhanden ist – genau daran aber mangelt es seit Monaten, bedauert Jasmin Sprünken.

Mittagessen können daher nur dreimal wöchentlich angeboten werden. „Wir brauchen weitere verlässliche Arbeitskräfte, um das Angebot aufrecht erhalten zu können“, fordert Fink. Ideal wären zwei Servicekräfte à 30 Stunden pro Woche. Geeignet seien auch Ehrenamtler, die allerdings täten sich zum Teil schwer mit der besonderen Klientel.

In Mülheim gibt es rund 600 Drogenabhängige 

Genau weiß es keiner, doch laut Statistik leben in Mülheim rund 600 Drogenabhängige. Cannabis ist weit verbreitet – sollte man es vielleicht legalisieren? Awo-Geschäftsführer Lothar Fink hat dazu eine klare Meinung: „Wir machen uns nicht zum Fürsprecher für die Freigabe.“ Die Droge sei deutlich stärker als früher, der THC-Gehalt etwa dreimal so hoch wie vor rund 20 Jahren. Anders als häufig vermutet, gebe es deutliche Entzugssymptome. Regelmäßiger Konsum mache psychisch und physisch abhängig.

Mit der aus Tschechien und Süddeutschland bekannten Horrordroge Crystal Meth hat das Mülheimer Drogenhilfezentrum bis dato nichts zu tun gehabt, berichtet Jasmin Sprünken. „Wir wüschen uns, dass das so bleibt, aber halten Augen und Ohren offen.“ Es bestehe Hoffnung, verschont zu bleiben: „Es gab immer mal Drogen, die in bestimmten Regionen hängengeblieben sind.“

Klassische Drogentote gibt es seit Jahren nicht mehr

Klassische Drogentote nach einer Überdosis, wie man sie früher kannte, gab es in der Stadt seit Jahren nicht mehr. Ende der 90er, als mit Strychnin gestrecktes Heroin im Umlauf war, seien in einem Jahr einmal gleich vier Tote zu beklagen gewesen – von solch elenden Zahlen aber sei man lange weg. „Heute sterben die Menschen eher an Folgeerkrankungen der Sucht“, so Fink, so war es 2014 auch bei sechs seiner Kunden. Wer lang abhängig war, altere schneller; ein 50-Jähriger könne da leicht die körperliche Verfassung eines 70-Jährigen haben.