Menden. . Die „Rosanna“ gleitet lautlos über die Ruhr. Ralf-Peter Stumme hat sie liebevoll restauriert . Er sammelt historische Boote, die Gondel hat er in England gekauft.
Die Sonne strahlt, der Himmel ist tiefblau, eine venezianische Gondel gleitet beinahe lautlos über das Wasser. Wie am Canale Grande kommt man sich vor, dabei ist das hier die Ruhr. Ralf-Peter Stumme hat das alte italienische Wasserfahrzeug (Baujahr 1958) vor ein paar Jahren in England gekauft, nach Mülheim gebracht und liebevoll restauriert. „Zusammen mit einigen Praktikanten habe ich sie komplett auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Da steckt ein ganzer Winter Arbeit drin“, sagt er.
Aus einem blau-gelben „Oldtimer“ wurde eine schwarz-rote Schönheit, so wie man sie in Venedig häufig sieht. Von dort stammt die „Rosanna“ tatsächlich, hat der Gondoliere herausgefunden. „Sie ist bis 1985 als Touristengondel genutzt worden, danach war sie zehn Jahre eingelagert, bevor ein englischer Bootsverleiher sie 1959 nach Stratfort upon Avon holte.“
Gondel in vierter Saison auf der Ruhr
Nun fährt das hölzerne Schmuckstück schon in der vierten Saison auf der Ruhr und zieht die Blicke der Spaziergänger auf sich. Meerjungfrauen aus Bronze zieren die Seitenwände, als Sitzplätze stehen, ganz originalgetreu, ein gepolsterter Zweiersitz, zwei Bänkchen und ein Stuhl mit nur einer Armlehne zur Verfügung. Das Bugtürchen ziert ein Gemälde nach Art der alten Meister.
Auf der vorderen Spitze der Gondel prangt das silberne „Ferro“, eine Art Galionsfigur, die die Stadt Venedig symbolisiert. Sie bildet das Gegengewicht zum Ruder am Heck, das weit nach unten ins Wasser ragt. „Deshalb muss ich höllisch aufpassen, dass ich die flachen Stellen im Fluss umschiffe“, erklärt Stumme.
„Rosanna“ auf Essener Motor-Show als James-Bond-Requisite
Mit dem rot-weißen Riemen rudert und lenkt er, dieser liegt auf der „Forcolla“, einer Dolle aus echten Walnussholz, auf. Ganz einfach ist das Steuern nicht, zumal der Gondoliere ja im Stehen – auf dem nach oben gebogenen Heck der Gondel – seine Arbeit verrichtet. Da fällt es schwer, das Gleichgewicht zu halten. „Zuerst habe ich gedacht: Da oben bleibst du nie im Leben stehen! Aber am Ende des ersten Tages wusste ich: Es ist möglich!“
Mittlerweile kann der Bootshändler, der zudem hauptberuflich Sportruderboote repariert („Ich bin der Letzte in der Region, der das noch macht.“), seine „Rosanna“ sicher lenken, manchmal hilft auch sein Sohn Raban (11) als Ko-Gondoliere mit. „Ganz früher wurden die Gondeln immer von zwei Ruderern betrieben. Mittlerweile ist das in Venedig aber nur noch bei Hochzeiten, Beerdigungen oder bei Rennen so“, erzählt er. Hier, auf der Ruhr, rudern sie nur im Doppellpack, wenn zu viel Wind ist. Der 500 Kilo schweren Rosanna macht zwar die Strömung nichts aus, sie ist aber windanfällig. „In den engen Kanälen Venedigs weht es ja nicht, da ist das kein Problem“, meint Ralf-Peter Stumme. Was auch kaum einer weiß: Gondeln sind asymetrisch gebaut, auf einer Seite länger und höher, so lassen sie sich besser steuern.
Mit einem Gerücht räumt der Gondoliere aber auf: Zwar hat man die „Rosanna“ auf der Essener Motor-Show mal als Requisite aus einem Bond-Film vorgestellt, „aber meine Nachforschungen haben ergeben, dass das nicht stimmt.“
Liebe zu historischen Booten
Die „Rosanna“ ist von April bis Oktober auf der Ruhr unterwegs. Drei bis vier Mal in der Woche rudert Ralf-Peter Stumme los, meist geht es von der Mendener Brücke bis zum Staader Loch und zurück – in 60 bis 90 Minuten. Passagiere mitnehmen darf der Gondoliere offiziell nicht, die Bezirksregierung in Düsseldorf erlaubt das nicht. Touristische Fahrten kann er also nicht anbieten. Allerdings dürfen Mitglieder des „Classic Boat Club“ bei ihm einsteigen und eine Gondeltour genießen.
Den Mülheimer „Classic Boat Club“ gibt es seit 2004, er hat rund 50 Mitglieder und widmet sich der „Förderung des Rudersports in historischen Booten“. „Wir sind Leute, die Spaß daran haben, alte Boote zu restaurieren und wieder zu nutzen“, so Hans-Peter Stumme. Er selbst hat rund 130 dieser historischen Schätzchen. „Um sie unterbringen zu können, habe ich eine Lagerhalle in Wesel angemietet“, berichtet er, „zehn Boote haben wir aber immer hier in Mülheim stationiert und mit denen fahren wir regelmäßig auf der Ruhr.“ Ansonsten werden die Oldies zu Classic-Boat-Treffen im In- und Ausland oder zu Regatten gebracht. „Es gibt eine Classic-Boat-Szene in Europa, aber in Deutschland ist sie nicht so ausgeprägt, wir sind eigentlich die einzigen, die so etwas machen“, sagt Stumme. Der Traum der Mülheimer ist es, ein Classic-Boat-Museum zu eröffnen. „Aber wir sind ein kleiner Verein, haben wenig Geld. Wir bräuchten eine Stiftung oder Sponsoren, die da mitziehen.“