Styrum. . Bis er in Fahrt kam, hat es zweieinhalb Jahre gedauert, doch nun loben die Fahrgäste seine Pünktlichkeit: Der Bürgerbus Styrum ist ein ehrenamtiches Groß-Projekt.

Theoretisch gilt auch im Styrumer Bürgerbus: Bitte nicht mit dem Fahrer reden. In der Praxis erwartet jedoch niemand Stille auf den hinteren Sitzen. Im Gegenteil: „Wir kennen die meisten Fahrgäste mit Namen – und von vielen auch die Familiengeschichten“, sagt Fahrdienstleiter Jörn Sellerbeck. Die Hilfe beim Ein- und Aussteigen, der Plausch während der Fahrt gehören dazu. Denn die Ehrenamtlichen, die den Bürgerbus durch Styrum lenken, wissen, dass sie mehr tun, als die Lücken im ÖPNV zu schließen.

Zehn Projekte als Vorschläge für Preise

I n der Reihe „Menschen machen’s möglich“ stellen wir in Serie zehn Projekte vor. Es sind Aktionen oder Angebote von und mit Menschen, die sich in unserer Stadt ehrenamtlich engagieren.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, entscheiden am Ende, welche drei Projekte einen Preis verdient haben. Diese stiftet RWW. Vergeben werden die Auszeichnungen beim Bürgerempfang am 24. Juni in der Stadthalle.

Die Idee gab es länger. Doch bis sie Fahrt aufnehmen konnte, hat es gedauert. Denn: „Wir sind ein normaler Busbetrieb mit allem Zipp und Zapp“, sagt Knut Binnewerg, Vorsitzender des im April 2011 gegründeten Vereins Bürgerbus Styrum. Zum Zipp und Zapp gehören Fahrer (samt Personenbeförderungsschein, Gesundheitsprüfung und Führungszeugnis), Fahrplan, Tickets, Route, Haltestellen und natürlich ein Bus. Organisiert wurde all das ehrenamtlich, von Styrumern für Styrumer. Zudem musste der Verein 12.000 Euro Eigenanteil vom insgesamt 52.000 Euro teuren Kleinbus aufbringen, den Rest trug das Land NRW.

Ende Oktober 2012 fuhren die Ehrenamtlich erstmals am Sültenfuß ab. Seitdem geht es montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und samstags von 9 bis 14 Uhr durch Styrumer Seitenstraßen, die die Mülheimer Verkehrsgesellschaft nicht direkt ansteuert. Rein rechtlich gehört der Verein zur MVG, die Profis stärken den Ehrenamtlichen mit ihrem Know-how den Rücken. Keine Konkurrenz ist der Bürgerbus, sondern eine Ergänzung.

Ehrenamtler teilen sich die Schichten

Dass die benötigt wird, zeigen die Zahlen, die Jürgen Siegmund nennt: Im ersten, vollen Betriebsjahr 2013 fuhren 5306 Menschen mit, 2014 waren es 7508 und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits 2900. Vor allem Senioren nutzen das Angebot, 60 Prozent haben einen Schwerbehindertenausweis und freie Fahrt. „Viele sagen, dass sie sich selbstständiger fühlen, weil sie wieder alleine zum Arzt oder Einkaufen können“, sagt Siegmund.

An diese Bedürfnisse hat sich der Verein angepasst: Zu Jahresbeginn wurde die Fahrtroute so geändert, dass nicht mehr der Sültenfuß, sondern die Einkaufsmöglichkeiten im Stadtteil zentrale Anlaufstellen sind. Zudem wurde die von der MVG geplante Einstellung der Linie 110 berücksichtigt. Denn auch die Organisation abseits des Fahrbetriebs gehört zu den Aufgaben des Vereins. Gleiches gilt für die Finanzierung. Werbepartner wurden (im Stadtteil) gewonnen, denn nur aus Mitgliedsbeiträgen und Ticket-Einnahmen (Erwachsene zahlen 1,50 Euro pro Fahrt) lässt sich der Betrieb nicht finanzieren. Benzin, pardon, Diesel, Reifen, Reparaturen und der jährliche Tüv sind nicht umsonst zu haben.

28 Ehrenamtliche (davon sind fünf Frauen) teilen sich die Schichten, sitzen mindestens einmal in der Woche drei Stunden am Steuer, helfen mit Rollator und Einkaufstaschen, hören sich die Familiengeschichten an. „Und wenn man jemanden länger nicht sieht, fragt man auch: Was ist da los?“, sagt Marie-Luise Gastreich und nennt es „eine soziale Komponente“. Und die ist in Styrum ebenso wichtig, wie die Mobilität.