Mülheim. Jenseits des Spielfeldes wollen immer weniger Ehrenamtliche Verantwortung übernehmen, weil die Zeit fehlt und die Anforderungen immer weiter steigen.
Ja, so einen wie den Friedhelm Hinnerkott könnten sie alle gut gebrauchen: Seit 61 Jahren im Verein, und wenn es irgendwo beim TSV Heimaterde jenseits des Sportplatzes hakt – er ist zu Stelle. Doch die Hinnerkotts werden älter und weniger. „Es ist für die Sportvereine zunehmend schwieriger geworden, ehrenamtliche Kräfte zu gewinnen, die sich über Jahre engagieren“, sagt Peter Hein, der Vorsitzende des Verbandes Mülheimer Fußballvereine. Angesichts der Alterspyramide verschärft sich das Problem.
Hein geht sogar soweit und sagt, dass für manche Vereine die Existenz daran hängt, ob sie in Zukunft noch genügend Leute als Begleiter, Helfer für einen Vorstand zusammen bekommen. „Das wird auch ein Grund dafür sein, dass Vereine vermehrt fusionieren werden.“
Nicht nur die Fußballvereine in Mülheim mit rund 5000 Mitgliedern betrifft das Problem. „Das Ehrenamt ist für viele offenbar nicht mehr attraktiv“, bedauert auch Frank Kreymann von der DLRG. Die Gesellschaft brauche mehr Leute, die helfend mitarbeiteten, aber nicht unbedingt an der Front stünden. Alle Abteilungen ausreichend zu besetzen fällt der Mülheimer DLRG schwer.
Die Verantwortung hat deutlich zugenommen
Der Turnverband Rhein-Ruhr mit 60 Vereinen aus Mülheim und Duisburg ist froh, dass es Herbert Holtmann gibt. Mit 72 Jahren wurde der Styrumer jetzt wieder zum ersten Vorsitzenden gewählt. „Das Problem ist die Arbeitszeit, die Belastung im Beruf“, sagt der Sportsfreund, der seit über 40 Jahren in der Vereinsarbeit mitmischt. Junge Leute, sagt er, scheuten oft auch die Verantwortung, weil sie fürchten, aus irgendeinem Grund belangt werden zu können.
Viele Vereine haben gerade mal noch vier, fünf Leute im Vorstand. Dazu einige Helfer. Als Faustregel gilt: Zehn Prozent der Vereinsmitglieder werden als ehrenamtliche Kräfte zum Organisieren im weitesten Sinne benötigt. Die Verantwortung dabei, sagt Hein, habe für Ehrenamtliche in Vereinen deutlich zugenommen, und die Aufgabenfülle für einen Vorstand sei ständig größer geworden und reiche inzwischen bis hin zum Konfliktlöser beim Nachbarschaftsstreit neben dem Sportplatz.
Als Helfer hat man Erfolgserlebnisse
Ohne viel Idealismus geht das alles aus seiner Sicht nicht – und ohne ständige Weiterbildung auch nicht: „Im Fußball wird immer mehr Wissen verlangt über Spielordnungen und Verbandsregeln.“ Rechtskenntnisse, Wirtschaftwissen, pädagogisches Feingefühl, Überzeugungskraft und ein dickes Fell brauchen Ehrenamtliche. „Alle Seiten ziehen an einem“, sagt Hein.
Und doch, so Holtmann, lohne es sich. „Man kann etwas bewegen, aufbauen, man hat Erfolgserlebnisse.“ Davon in persönlichen Gesprächen zu berichten, ist für ihn ein Weg, andere für eine Mitarbeit zu gewinnen. Michael Schüring vom CBE sagt: „Wer nur fragt ,wer will den Schatzmeister machen’ findet heute keinen mehr“
Centrum für bürgerschaftliches Engagement will Mut machen
Beim Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) ist das Problem der Vereine bekannt: „Wir haben darauf reagiert“, sagt Geschäftsführer Michael Schüring. Mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung, des Deutschen-Olympischen Komitees sowie des Mülheimer Sportbundes bietet das CBE Hilfestellung an, die Mut machen soll, in Vereinen Verantwortung zu übernehmen.
Es gibt Fortbildungen, Workshops und Zukunftswerkstätten, in denen ein Verein für sich eine Strategie entwickeln kann, wie er ehrenamtliche Kräfte gewinnt und effektiv einsetzt. „Vernetzung im Verein“, so Michael Schüring, könnte etwa eine Erleichterung sein, wenn nicht einer allein sich um eine Aufgabe kümmern muss, sondern ein kleines Team.
„Die Angebote werden sehr gut angenommen“, sagt der CBE-Chef. Zehn Kurse oder Workshops finden in diesem Jahr statt. Schüring ist überzeugt: Trotz Anforderungen in Beruf und Familie hätten viele noch genügend Freizeit, die sie in ein Ehrenamt investieren könnten.