Mülheim. Vier Jahre begleitete die Stuttgarter Regisseurin Andrea Roggon den Mülheimer Künstler Helge Schneider. Die entstandene Doku kommt nun ins Kino.

Wer in Mülheim nach Helge Schneider fragt, hört viele Anekdoten – jeder kann von persönlichen Begegnungen mit dem Komiker berichten. Bekannt ist aber vor allem, dass er es nicht gerne hat, wenn einer zu viel über ihn weiß. Eine spannende Ausgangslage für die Stuttgarter Regisseurin Andrea Roggon, die sich mit ihrer Dokumentation „Mülheim – Texas. Helge Schneider hier und dort“ an ein filmisches Porträt des Künstlers herangewagt hat. In diesem verbindet sie Realität und Fantasiewelt, Mülheim mit Texas, deren Grenzen bei Helge Schneider stets fließend verlaufen.

Was war für Sie der Anreiz, ausgerechnet eine Doku über Helge Schneider zu drehen?

NRW-Premiere in Essen am Sonntag

Andrea Roggon, Jahrgang 1981, schloss 2010 ihr Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg erfolgreich ab und arbeitet heute als selbstständige Regisseurin in Stuttgart.

Der Film „Mülheim – Texas“ feiert am kommenden Sonntag, 19. April, um 19.15 Uhr seine NRW-Premiere im Essener Astra Theater.

In Mülheim wird die Doku ab Donnerstag, 23. April, im Rio Filmtheater am Synagogenplatz 3 zu sehen sein. Info: www.essener-filmkunsttheater.de

Andrea Roggon: Dieser Mensch ist als Künstler einfach besonders. In meinen Filmen mache ich oft die Freiheit des Individuums zum Thema. Helge Schneider steht für mich für Freiheit – in seiner Improvisation, seiner Musik, seinem Humor. Er schafft es, Grenzen einzureißen – auf humorvolle Art und Weise.

Generell finde ich es spannend, wie Menschen, die unter ähnlichen Voraussetzungen aufgewachsen sind, ihr Leben unterschiedlich gestalten. Dass Menschen keine Opfer ihrer Situation sind. Das zeigt etwa die Szene, in der Helge Schneider sagt, dass New York immer einer seiner größten Träume war. Da er aber in jungen Jahren nicht das Geld für eine solche Reise hatte, nahm er mit Freunden nächtelang Hörspiele auf. Helge Schneider hat es geschafft, aus den Gegebenheiten seine eigene Welt zu erschaffen. Das ist bewundernswert.

Wie ist der Kontakt zustande gekommen und wie konnten Sie ihn für Ihr Projekt gewinnen?

Roggon: Obwohl ich am Bodensee aufgewachsen bin, habe ich Bezug zu Mülheim – meine Oma wohnt dort und meine Mutter ist dort groß geworden. Sie ist seit ihrer Jugendzeit mit Helge bekannt, über sie kam der Kontakt zustande. Als ich ihm von meiner Idee berichtete, war noch nicht definiert, was genau ich machen möchte. Erst einmal war der Grundsatz, ihn über längere Zeit zu begleiten. Ich denke, es war für ihn eine Bauchentscheidung mitzumachen. Also sagte er: „Mach‘ doch mal.“

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In welchem Zeitraum ist der Film entstanden?

Roggon: Insgesamt habe ich Helge Schneider über vier Jahre lang mit der Kamera begleitet. Zunächst war ich mit auf Tournee und habe Auftritte gefilmt, um zu sehen, ob wir zusammen funktionieren. Dabei hat er wohl gemerkt, dass es passt und der Film für ihn kein Störfaktor werden würde. Dann haben wir immer mal wieder telefoniert und Termine ausgemacht. Das war alles sehr spontan. Wichtig war mir, ihn in seinem täglichen Leben zu begleiten. Der Film soll schließlich eine Reise sein – so wie sein Leben. Denn Helge Schneider ist immer unterwegs.

Welche Rolle spielt Mülheim?

Roggon: Mülheim ist der reale, Texas der fiktive Ort. Wir waren bei ihm zu Hause, am Filmset in der Mülheimer Innenstadt, sind mit ihm auf der Ruhr im Kanu gefahren und ihm schließlich bis nach Spanien, also Texas, gefolgt. Ich glaube, dass er sich sehr mit seiner Stadt identifiziert, dass er daraus schöpft. Er hat eine große Liebe zu den Menschen dort. Und die behandeln ihn eben auch wie einen von ihnen.

Ein Film über die Freiheit, sich Freiheiten zu nehmen 

Die Doku zeigt bewusst Helge Schneiders Widerstand, sich auf dieses Porträt einzulassen. Wie sind Sie ihm trotzdem nah gekommen?

Roggon: Es ist schön, gewisse Dinge für sich zu behalten. Private Details sind kein Schlüssel, um ein Gefühl für den Menschen zu bekommen. Der Film hat ja nicht den Anspruch, eine lückenlose Biografie zu sein, sondern vielmehr Helge Schneider in seiner Vielseitigkeit zu zeigen: als Musiker, Komiker, Künstler. Man kann ihn eben nicht erklären oder festzurren. Ich glaube über ein Geheimnis, das erhalten bleibt, kann man einem Menschen und seinem Werk viel näher kommen als durch den Versuch, alles zu erklären.

Helge Schneider in Essen

Helge Schneider in der Grugahalle.
Helge Schneider in der Grugahalle. © WAZ FotoPool
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Es gibt eine Interview-Szene, in der Sie Helge Schneider fragen, was Freiheit für ihn bedeutet, dass diese nicht selbstverständlich sei. Er erwidert: „Stimmt. Freiheit muss man sich nehmen. Tschüss.“ Dann steht er auf und geht. Der Zuschauer muss herzhaft lachen – Sie auch?

Roggon: In dem Moment war ich schon erstmal ganz schön baff. Aber ja, wir haben bei den Drehs viel gelacht! Ich war immer wieder überrascht von seinem Humor. Seine Spontanität hat die Dreharbeiten oft unplanbar gemacht, manchmal anstrengend, aber vor allem aufregend. Wir haben uns darauf konzentriert, auf den Moment zu schauen und nicht mit vorgefertigten Planungen ranzugehen. Vieles ist bei Helge improvisiert, da muss man einfach mitspielen, sich einlassen. Das war schön, denn die Dreharbeiten waren nie langweilig.