Mülheim. . Einmal auf der Equitana vor großem Publikum reiten: Für die Jugendquadrille des Reitvereins Mülheim-Mintard geht dieser Traum heute in Erfüllung. Die zehn Reiterinnen und ihr etwa 20-köpfiger Chor treten im Showcup gegen neun weitere Gruppen an. Als Thema haben die Jugendlichen Sister Act ausgewählt und hoffen, dass nicht nur die Musik die Zuschauer mitreißt.
Tausende von Zuschauern richten ihre Augen auf sie, wenn heute Nachmittag Döppken, Aki, Sissi, Jon Boy, Emily und Co. in den großen Ring der Messehalle 6 in Essen traben. Auf ihren Rücken thronen dann Lea, Nora, Corinna, Constanze und sechs weitere Mädchen des Reitvereins Mülheim-Mintard (RMM). Weder Pferdebeine noch Reiterinnenhände dürfen dann zittern – wobei sie jeden Grund dazu hätten, immerhin werden rund 5000 Besucher erwartet. Die Jugendquadrille des Mintarder Reitvereins hat sich mit ihrem Dressurschaubild für den so genannten Katina-Showcup auf der Equitana qualifiziert, die Jugendlichen dürfen als eine von insgesamt zehn Gruppen vor einer fachkundigen Jury beweisen, was sie können.
Bewertet werden sowohl technische Ausführung als auch der künstlerischen Aspekt der Darbietung. Das letzte Drittel der Bewertung hat das Publikum in der Hand – der Applaus der Zuschauer zählt in die Notengebung mit ein. Dieses Jahr wollen die Mintarder mit ihrer Sister-Act-Kür überzeugen.
Schon einige Erfahrung im Showprogramm
Lea legt letzte Hand an an Sissis Sattelgurt. Die 14-Jährige ist ganz schön aufgeregt vor dem großen Auftritt auf der Weltmesse des Pferdesports. „Ich bin die letzte, die in der Reihe reitet“, erzählt Lea. Ob das eher gut oder eher schlecht sei? Achselzucken, ein fragender Blick in Richtung Trainerin Christine Franzen. Die erklärt: „Für die Gruppe ist es gut, dass mit Lea hinten eine starke Reiterin reitet. Falls da mal was durcheinander geht, kann sie hoffentlich für Anschluss sorgen.“ Am Freitagabend haben sich die Mädchen zusammen mit ihrer Trainerin noch einmal getroffen, ein letztes Mal vor der Aufführung im großen Ring. Nora, 17 Jahre alt, ist ganz gelassen. „Wir haben in den letzten Monaten ziemlich viel geübt, deshalb habe ich ein ganz gutes Gefühl.“ Jeden Samstag haben sie sich getroffen und geprobt, immer wieder und wieder. „Als noch gar nicht entschieden war, ob wir mit unserer Bewerbung überhaupt für den Showcup angenommen werden, war es nicht immer einfach, die Mädchen zu motivieren“, blickt Trainerin Christine zurück.
Aber dann war klar: Sie sind dabei – wieder! Denn bereits zweimal hatte sich die Jugendquadrille des RMM für die Teilnahme an der Equitana qualifiziert, hat dabei einen zweiten und einen dritten Platz belegt und ist auch schon im Showprogramm des renommierten CHIO-Turniers in Aachen aufgetreten. Erfahrung also haben sie schon ein wenig, wenngleich in dieser Gruppe direkt acht neue Pferde dabei sind. „Das ist natürlich spannend, wie die das am Tag des Auftritts meistern werden – in der großen Halle, mit den bunten Lichtern und der lauten Musik“, sagt die Trainerin. Christine Franzen wird derweil am Rand stehen, nur hin und wieder mit ihrer Trillerpfeife Anweisungen geben und dann das Bild genießen, wenn ihre Gruppe in der großen Halle vor den voll besetzten Zuschauerrängen posiert. „Ich halte mich gerne im Hintergrund, hier geht es um die Jugendlichen und die Pferde.“ Und auch um die Fußtruppe – denn Sister Act ohne Chor, das wäre undenkbar.
20 Nonnen singen aus vollem Hals
Also sind rund 20 Nonnen (und ein Mönch) mit von der Partie, singen (Playback) aus vollem Hals und wiegen sich im Takt. Auch Ute Wick gibt eine glaubwürdige Nonne ab. Mit ihren 67 Jahren ist sie die Älteste in der Runde. „Deshalb bin ich schon ein bisschen abgeklärter“, sagt sie augenzwinkernd. Lissy hingegen ist mit zehn Jahren eines der Küken. Eigentlich reitet sie auch im RMM, ist ja klar. Aber um in dem großen Showbild der Quadrille mitzumachen, fehlt dem Mädchen noch Übung. „Aber in zwei Jahren, bei der nächsten Equitana, kann ich sicher schon mitreiten“, meint die Zehnjährige und streicht ihr Nonnengewand glatt.
Dann springt die Musik an – bei der Generalprobe noch aus den Lautsprecherboxen eines Autoradios – Pferde, Reiter und Chorsänger spitzen die Ohren. Und Christine Franzen gibt mit ihrer Trillerpfeife den Anpfiff. Döppken, Aki, Sissi, Jon Boy, Emily und Co., sie alle traben brav los und legen eine Kür hin, die man gar himmlisch finden kann. Tempo, Abstand und Hufschlagfiguren stimmen und laufen synchron. Selbst Jon Boy, der für ein erkranktes Pferd eingesprungen ist, macht seine Sache gut. Und dann, Finale: Die Große Mühle markiert das Abschlussbild der Kür. Geschafft – Oh, happy Day!
Mülheim hätte Weltgeltung als Pferdestadt erlangen können
Mülheim ist eine wahre Pferdestadt: Aktuell sind bei der Stadt 16 Pferdebetriebe sowie neun Reitvereine mit rund 1100 organisierten Reiterinnen und Reitern und über 1000 Pferde verzeichnet.
Dabei hätte Mülheim beinahe noch eine größere Rolle im Pferdezirkus spielen können. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Reitanlage im Uhlenhorst, in der zuvor die Reitschule des englischen Militärs stationiert war, Olympia-Pferde untergebracht. Die vierbeinigen Asse der deutschen Springreiterei wurden hier trainiert. Im Hotel Handelshof wurde nach dem Krieg das Deutsche Olympiakomitee für Reiterei gegründet. Für ein Jahr residierte im Uhlenhorst dann das Deutsche Olympiakomitee für Reiterei und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN). Weil das Ruhrgebiet aber nach dem Krieg Probleme wie fehlender Wohnraum plagten und der Reitsport in den Krisenzeiten kein wichtiger Faktor war, man der Reiterei daher nicht mehr Raum gewähren konnte, wurde schließlich Warendorf Deutschlands Pferdehauptstadt mit Sitz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei.
Die Equitana beginnt am heutigen Samstag, 14. März, und endet am Sonntag, 22. März. Geöffnet ist die Weltmesse des Pferdesports in der Messe Essen täglich von 10 bis 19 Uhr. Es werden 850 Aussteller aus 30 Ländern und rund 1000 Pferde in den 17 Messehallen erwartet. Tageskarten kosten zwischen 9 Euro (Kind) und 23 Euro (Erwachsener). Die Preise variieren je nach Wochentag und Buchungsart. Weitere Informationen unter www.equitana.com