Mülheim. Als eine der letzten Städte kann Mülheim den Fuhrpark an Straßenbahnen erneuern. Die MVG steht zwischen Qualitätssprung und Spardiktat.

Kunden, die über Unpünktlichkeit klagen, Fahrzeuge, die aus Altersschwäche liegenbleiben, Politiker, die immer mehr Millionen bei den Verkehrsbetrieben eingespart haben wollen – der Chef der Mülheimer Verkehrsgesellschaft, Klaus-Peter Wandelenus, sieht sich harten Zeiten gegenüber. Umso mehr freut er sich auf den Mai. Dann rauschen die ersten neuen Niederflur-Straßenbahnen heran. Alle zwei Wochen folgt eine neue, Ende des Jahres sollen alle bestellten 15 Wagen auf Mülheims Straßen unterwegs sein – in eine bessere Zukunft für die MVG.

Mit 30 Metern sind sie länger als die alten Bahnen, mit 42 Tonnen noch schwerer. „Sie fährt ruhig, gedämpft, hat eine weiche Beschleunigung, ist geräumiger, komfortabler, ist besser zu reinigen“, listet MVG-Sprecher Nils Hoffmann gleich reihenweise Vorteile auf, die der Fahrgast und die MVG bei einem Stückpreis von 2,5 bis 2,7 Millionen Euro auch erwarten können. Vor allem für ältere Menschen, so Hoffmann, böten die neuen Niederflurbahnen durch den fast ebenerdigen Einstieg viel mehr Komfort. 64 Sitzplätze, 108 Stellplätze bietet die Bahn an Platz. 2017, so Wandelenus, fahren nur noch Niederflurbahnen in Mülheim.

Rücklagen wurden nie gebildet

Das ist aber auch der Zeitpunkt, ab dem die MVG von Jahr zu Jahr mehr Geld einsparen muss, im Jahr 2021 sollen es strukturell sechs Euro sein, die die MVG weniger ausgibt. Zusammengerechnet über die Jahre wären es bis dahin 19,5 Millionen Euro, so haben es SPD und CDU in einem gemeinsamen Papier zum aktuellen Haushalt beschlossen. Man will die MVG runter bekommen von dem hohen Defizit, das bei 30 Millionen Euro jährlich liegt.

Wandelenus treibt das Schweißperlen auf die Stirn, er weiß: „Ohne spürbare Leistungseinschränkungen für die Fahrgäste wird das nicht machbar sein.“ Schuld an der Misere ist nicht die MVG von heute, das betont der Geschäftsführer mehrfach. Schuld sei vielmehr die Förderpolitik vergangener Jahrzehnte, die immer auf Neuanschaffungen, nie jedoch auf den Erhalt setzte. Rücklagen wurden nie gebildet.

"Wir haben bereits jede Ecke ausgekehrt"

Die Anlagen, die Technik, die Tunnel, die Fahrzeuge – alles alterte. „Die Via – ein Zusammenschluss der Verkehrsgesellschaften aus Mülheim, Essen und Duisburg – müsste rund 800 Millionen Euro aufwenden, um das alles auszubessern, zu ersetzen und instand zu halten“, so Wandelenus. Allein 200 Millionen wären davon in Mülheim notwendig. Eine utopische Summe. Keiner weiß, woher das Geld kommen soll.

Was man aber in der Chefetage der MVG weiß: Je mehr in Qualität, in Komfort für Fahrgäste, in neue Technik investiert wird, desto höher fallen die Abschreibungen aus, desto höher steigt das Defizit. Die MVG sieht sich eingeklemmt zwischen dem Ruf nach Modernisierung plus mehr Wirtschaftlichkeit und dem Druck, das Defizit abzubauen. „Wir haben bereits jede Ecke ausgekehrt“, betont Wandelenus und bedauert, dass die Wertschätzung für das Geleistete kaum noch vorhanden ist.