Mülheim. Ein Milliardär steigt bei der MVG ein, die OB-Wahl wird mangels Gegenkandidatur abgeblasen. . . Eine (nicht ganz erst gemeinte) Jahresvorschau für 2015.
Januar: Großer Empfang an der Straßenbahn-Endhaltestelle am Uhlenhorst: Die Stadtoberen empfangen hier mit großem Bohei den österreichischen Milliardär Dietrich Mateschitz. Der Red-Bull-Gründer hat sich, wie erst jetzt bekannt wird, nach jahrelangen Verhandlungen bereit erklärt, der Mülheimer Verkehrsgesellschaft Flügel zu verleihen. Aus dem Hockeyrasen des HTCU ragt an diesem frostigen Januartag symbolisch eine 20 Meter hohe Finanzspritze empor. In den kommenden fünf Jahren will „Didi“ eine Milliarde Euro in Mülheims Nahverkehr investieren. Busse werden abgeschafft, dafür neue Straßenbahnstrecken gebaut – eine davon zum Flughafen, damit Mateschitz nach den Aufsichtsratssitzungen bei der MVG, denen er nun vorsitzt, schnell wieder ins Alpenland düsen (!) kann.
Februar: Allen Bürgerinitiativen und Lichterketten zum Trotz: Die VHS in der Müga ist Geschichte. Mehr noch: Auch die Müga ist in großen Teilen Geschichte. Der Stadt ist es gelungen, gleich mehrere international agierende Hotelketten für ein Invest am Standort zu gewinnen. Rund um die Burgmauer von Schloß Broich und bis zum Ringlokschuppen soll ein Hoteldorf entstehen, ein kleiner Center Parc als Oase mittendrin. So präsentiert es stolz MST-Chefin Inge Kammerichs, die nun ihre Sorge los ist, Besuchern der Stadthalle keine ansprechende Unterkunft bieten zu können. Dann muss sie weg: zur Tourismusmesse nach Berlin.
März: Tengelmann scheitert mit dem Ansinnen, sein Supermarktgeschäft an Edeka zu verkaufen. Das Bundeskartellamt macht harte Auflagen, damit es am deutschen Lebensmittelmarkt keine noch höhere Konzentration gibt. Die Wettbewerbshüter schreiben Tengelmann vor, sämtliche 451 Filialen in Tante-Emma-Läden umzuwandeln. Gesellschafter Karl-Erivan Haub kann sich nach einiger Zeit mit der Vorgabe anfreunden. In Erinnerung an seine Kindheit im Kolonialwarenladen seiner Eltern will er immer samstags selbst an der Kasse stehen: im Tante-Tengelmann-Klimamarkt an der Wissollstraße.
April: Das musste ja so kommen: Mülheim macht dieser Tage bundesweit Schlagzeilen, weil sich in der Stadt die erste Bürgerinitiative gegen die Bürgerinitiativen gegründet hat. MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard zündet sich konsterniert eine Zigarette an, als sich selbst die Tagesthemen mit dem Mülheimer Phänomen beschäftigen. „Alle gegen alle jetzt, oder wie?“ Reinhard ist erstmals in seiner politischen Karriere sprachlos.
Mai: Sensation Nummer 4: Es gibt neue Pläne für den Kaufhof. Nachdem die Ideen für ein Ruhrbanium, die Sparkassen-Akademie und nun auch für eine Seniorenresidenz gescheitert sind, will der Regionalverband Ruhr die Warenhaus-Ruine als Erlebniswelt in seine Route der Industriekultur aufnehmen. Alte Kaufhof-Beschäftigte erzählen Besuchern dann auch Märchen, wie zuletzt noch Kohle gescheffelt worden ist in dem einstigen Konsumtempel.
Juni: Der Mülheimer Sportservice ist ratlos: In den ersten sechs Monaten musste das Friedrich-Wennmann-Bad an keinem einzigen Tag wegen baulicher Mängel die Eingangstüren geschlossen halten. Ein Expertenrat wird eingesetzt. Er soll klären, was hier nicht mit rechten Dingen zugeht.
Juli: Storch Georch ist tot. Lang lebe Storch Georch. Passend zum Anlass strahlt die Sonne mit dem neu konstruierten Wahrzeichen um die Wette, als an diesem Sonntag im Juli Storch Georch II. vor abertausenden Schaulustigen zu seinem ersten Rundflug am Flughafen ansetzt. Künstler Petoschu, der Storch-Erfinder, hatte vor Monaten in seinem Keller eine vergilbte Zeichnung von Leonardo da Vinci entdeckt, die einen storchähnlichen Flugapparat skizziert. Das Blimp-Unternehmen WDL ließ aus diesem Entwurf den neuen Storch Georch bauen, den es nun in seine Luftfahrtflotte aufnimmt.
August: Beim NRW-Traditionsmasters im Januar hat Willi Landgraf wieder Gefallen am Mülheimer Fußball gefunden. Der Zweitliga-Rekordspieler feiert zum Beginn der neuen Saison ein umjubeltes Comeback beim VfB Speldorf, der durch eine grandiose Rückrunde wieder in die Oberliga zurückgekehrt ist. „Ich habe Bock, den VfB in die zweite Liga zu führen, meine Heimat“, sagt Landgraf auf einer Pressekonferenz.
September: Kämmerer Uwe Bonan reibt sich die Hände: Wieder kann er eine sechsstellige Euro-Summe im Etat einsparen. Der Grund: Die Wahl zum Oberbürgermeister fällt in diesem Jahr aus. Amtsinhaberin Dagmar Mühlenfeld darf weiter regieren, weil es keinen Gegenkandidaten gab. „Erst haben wir uns über Monate schwer getan, einen Kandidaten zu finden“, so CDU-Parteivorsitzender Andreas Schmidt. „Dann haben wir schlicht vergessen, ihn zum Kandidaten zu küren.“ 2020 will die Union einen neuen Anlauf nehmen. Schmidt: „Die Zeit ist dann reif für einen Wechsel.“
Oktober: Die neue Hochschule an der Duisburger Straße eröffnet. Da schon länger klar ist, dass der Platz für die Wissenschaftler und Studenten schon zum Start an neuer Wirkungsstätte nicht ausreichen würde, hat die Stadt schnell reagiert und dem Land auch den Ruhrtunnel zu Lehrzwecken vermietet. Der Tunnel wird längst nicht mehr benötigt, siehe Januar: Red Bull verleiht den Linien 102 und 901 nun Flügel, sie schweben über die Ruhr.
November: Früher waren es Metalldiebe, die in Mülheim ihr Unwesen trieben, wegen der aktuell weltweiten Kies-Krise bekommt es die heimische Polizei nun immer häufiger mit Beton-Dieben zu tun. Haarsträubend der Polizeibericht am 26. November: „Offenbar unbemerkt gelang es Unbekannten um die frühen Nachmittagsstunden herum, den kompletten Hajek-Brunnen am Synagogenplatz zu demontieren und abzutransportieren.“ Die Polizei sucht dringend Zeugen, die bislang Mangelware sind.
Dezember: Zum Jahresausklang eine Charme-Offensive der Stadtverwaltung: Alle Dinge, an denen sich die Bürger stören und die ihnen wehtun, sollen in Quarantäne am „Au-Berg“ kommen. Dort steht nun schon ein Sammelsurium ausrangierter Helikopter vom Flughafen, Hunderte Einbahnstraßen- und Parkverbotsschilder, die Blitzer von Weseler Straße, B1 und Mellinghofer Straße, etliche Ein-Euro- und Handy-Shops aus der Innenstadt, das Finanzamt und sämtliche Digitalanzeigen der MVG, die Verspätungen festhalten. Bis Silvester können Bürger noch Verbannenswertes zum Au-Berg tragen. Dann wird er: gesprengt.