Mülheim. . Vor einem halben Jahr gründete Reinhard Jehles die Gruppe „Willkommen in Mülheim“. Seitdem wächst das Netzwerk stetig an. Ein weiterer Hilfstransport ist im März geplant.
Es gibt Typen, die reden drüber und es gibt Typen, die machen einfach. Zu letzteren gehört Reinhard Jehles. Er weiß, dass er mit seiner direkten Art manchmal bei Mitmenschen aneckt. „Ich bin absolut teamunfähig.“ Trotzdem hat der 61-Jährige es innerhalb kürzester Zeit geschafft, engagierte Menschen für die Flüchtlingshilfe zusammen zu bringen. Im Juli 2014 gründete er die Initiative „Willkommen in Mülheim“ (WiM), die Spenden sammelt und diese koordiniert an Menschen in Not verteilt. Mittlerweile hat sich WiM zu einem der größten Hilfsnetzwerke der Stadt entwickelt.
Längst hat sich das soziale Engagement auf Reinhard Jehles’ Arbeitsplatz ausgeweitet. An der Solinger Straße, einem Gewerbegebiet am Rande Saarns, betreibt der Mülheimer eine Druckerei, die unter anderem Teller und Tassen mit Ruhrpott-Motiven bedruckt. In seinem Büro sitzt Jehles am Computer, von dem aus er neben dem Haupt-Job noch die Arbeit der Initiative koordiniert. Er schreibt E-Mails an Partner und Helfer oder beantwortet Anfragen am Telefon.
Spendenannahme und -abgabe
Das WiM-Warenhaus an der Solinger Straße 9 in Saarn hat Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr und Samstag von 14 bis 17 Uhr zur Spendenannahme geöffnet.
Die Spendenausgabe öffnet Dienstag, Donnerstag und Samstag von 14 bis 17 Uhr. Wer helfen möchte, wendet sich am besten per E-Mail an Reinhard Jehles: info@jehles.de. www.wim.ruhr.
Im sozialen Bereich kennt sich der gelernte Elektromechaniker aus. „13 Jahre habe ich im Fliednerwerk mit Behinderten gearbeitet.“ Als Gründungsmitglied der Grünen in Mülheim sei er damals in den 80er-Jahren auch politisch aktiv gewesen. „Etwa in der Anti-Atomkraft-Bewegung.“
Die Hilfsbereitschaft wuchs
Jehles ist zwar Gruppen-Gründer, steht aber nicht gerne im Vordergrund. Er verweist lieber auf die Gemeinschaft: Diese packt in einem Lagerraum nebenan bergeweise Kleider und Schuhe in Kartons – beinah täglich sortieren Ehrenamtliche das immer noch hohe Spendenaufkommen. „Inzwischen haben wir 30 feste Helfer.“
Wenn Reinhard Jehles an die vergangenen sechs Monate zurück denkt, kann er selbst kaum glauben, was er und seine Mitstreiter auf die Beine gestellt haben. „Alles fing ja mit der Hilfe für eine einzelne Flüchtlingsfamilie an.“ Seine Tochter und seine Frau hatten Kontakt zu einer Familie, für die sie eine Erstausstattung an Möbeln suchten. „Da startete ich einen Aufruf auf Facebook.“ Die Resonanz war unglaublich: „Bereits am nächsten Tag standen Spenden vor der Tür.“ Die Hilfsbereitschaft wuchs. Berichterstattungen in den lokalen und später überregionalen Medien folgten über das „Wunder von Mülheim“ und das Warenhaus, das die Gruppe an der Boverstraße gründete. Mülheimer Privatleute und Unternehmen spendeten Kleider, Kinderwagen, Spielzeug, Möbelstücke. Im September schickte WiM einen Hilfstransport in die Türkei (ein weiterer soll im März starten).
Ans Aufhören gedacht
Je mehr die Leute gaben, desto mehr Arbeit musste in das Projekt gesteckt werden. „Da habe ich gemerkt, mit welcher Verantwortung das alles verbunden ist.“ Schließlich gab es Zeiten, in denen er ans Aufhören dachte. „Viele Freunde haben mich aufgebaut und gesagt ‘wir brauchen dich’.“ Motivation zieht Jehles aus der Gemeinschaft. Und auch aus der Betroffenheit, die eine andere ist, wenn man mit Menschen spricht, die ihr Leben riskierten, um in Freiheit leben zu können.
Über die hohe Spendenbereitschaft freut sich Jehles sehr. „In Mülheim herrscht eine große Willkommenskultur.“ Sechs Ableger der Initiative gibt es bereits in anderen Städten, dazu viele Kooperationen etwa mit dem Mülheimer DRK. „Letztlich können wir aber immer nur auf äußere Umstände reagieren.“ Die Arbeit der Gruppe hänge eben stark von politischen Entwicklungen ab. Einerseits mache ihn das Geschaffene und die Hilfsbereitschaft glücklich, andererseits aber auch traurig. „Wenn ich daran denke, aus welchem Anlass wir das alles machen.“ Hätte er einen Wunsch für die Zukunft, wäre es daher dieser: „Dass die Initiative nicht mehr gebraucht wird.“