Mülheim. An Weihnachten sind die Kirchen links wie rechts der Ruhr voll. Die Gemeinden freuen sich über jeden, der kommt, und sind auf dem Ansturm vorbereitet.

Fürchtet euch nicht! Auch an diesem Heiligen Abend wird wieder eine große Freude verkündigt, außerdem bleiben Herbergen verschlossen, Könige reisen aus dem Morgenland an. Das Krippenspiel gehört untrennbar zum Weihnachtsgottesdienst. Alle Jahre wieder spielt das vor vollen Rängen, wenn eine Reihe Menschen ihren jährlichen Kirchenbesuch absolviert. In evangelischen wie katholischen Gemeinden ist man darauf vorbereitet.

An normalen Sonntagen finden 170 Menschen in der Kreuzkirche der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Platz. Heiligabend werden beim Familiengottesdienst über 250 sitzen können – auf zusätzlichen Stühlen im Kirchenraum sowie im „Forum“. In den Nebenraum wird der Gottesdienst auf Leinwand übertragen. Das hat sich seit Jahren bewährt, berichtet Pfarrer Justus Cohen, den nach der Premiere Rückmeldungen von Menschen erreicht haben, „sie hätten endlich mal was gesehen“. Justus Cohen freut sich über das volle Haus zum Fest. „Es ist schön, wenn die Menschen an der Tradition festhalten.“

Krippenspiel macht den Anfang

Das sieht Pastor Michael Clemens ebenso: „Ich begrüße jeden regelmäßigen Kirchengänger. Und auch die Menschen, die nur einmal im Jahr kommen, kommen regelmäßig.“ In seiner Eppinghofer Kirche St. Engelbert macht das Krippenspiel den Anfang. „Wir haben das geteilt, weil viele mit Kleinstkindern kommen, und die können nach der Krippenfeier gehen, wenn sie möchten“, berichtet Michael Clemens. Die Eucharistie-Feier folgt anschließend und der Pastor betont, dass er da nicht plötzlich vor leeren Rängen steht. Nur die Stehplätze würden dann freigemacht. „Alle Jahre wieder“ ist seiner Meinung ein Kernsatz der Weihnachtszeit: „In der Kirche, wie in der Familie, vollzieht sich alles in einem gewissen Rhythmus.“

Pfarrer Achijah Zorn, der in der ev. Kirche im Fliednerdorf predigt, hat anderes erfahren. Auch in Selbeck bildet das Krippenspiel „das Herzstück“ des Gottesdienstes mit poppiger Musik. Erarbeitet und aufgeführt wird es von sechs der neun Konfirmanden, „die anderen wollen Weihnachten nicht in die Kirche kommen.“ Die Tradition des weihnachtlichen Kirchgangs bröckele. Doch er will darüber nicht klagen, würde sich nie über „Weihnachtschristen“ beschweren – ein Ausdruck, den er einmal gehört hat und der ihm gar nicht gefällt. „Ich freue mich über jeden, der kommt.“

"Ohne Tradition wäre die Gesellschaft arm"

„Übervoll“ wird es die Saarner Klosterkirche, sagt Pater Josef Prinz und spricht von einer „gewaltigen Atmosphäre“. Das gilt in St. Mariä Himmelfahrt für Krippenspiel wie Christmette, auf die mit gemeinsamen Singen eingestimmt wird. Natürlich gebe es Menschen, die nur zu Hochfesten kommen, so der Pastor, aber er ist froh, dass es diese Tradition für so viele noch gibt. „Ohne Tradition wäre die Gesellschaft arm – und die Kirche auch. Die Tradition muss nur zeitgemäß sein. Und das versuchen wir durch die Gestaltung des Gottesdienstes.“