Mülheim. Feras Dabool (31) verlor die Liebe zu seiner Heimat, als der Irakkrieg begann. 2007 ist der Christ geflüchtet. Seine Karriere geht seitdem steil aufwärts

Eigentlich war Feras Dabool glücklich in Bagdad. Er konnte in Ruhe seinem Informatikstudium nachgehen, lebte friedlich mit seinen wohlhabenden Eltern in einem Eigenheim und erfuhr von den Muslimen als Katholik keine Ablehnung. Bis George W. Bush im März 2003 die ersten Raketen auf Bagdad abwerfen ließ. „Es war eine 180 Grad Drehung.“

Während er Auto fuhr, sah er Panzer im Rückspiegel, Wagen explodierten wenige Meter vor ihm. Und als Christ war Dabool nicht mehr willkommen. Sunnitische und schiitische Gruppen gingen nicht nur aufeinander los, auch jede andere Religion war jetzt ein Problem. „Vor Minaretten wurden wir per Lautsprecher als Ungläubige beschimpft“.

Den Höhepunkt der Bedrohung erlebte der heute 31-Jährige im Jahr 2007. Nach seinem Bachelor-Abschluss arbeitete er in einem eigenen Laden, reparierte und baute Computer. Einer seiner Arbeitskollegen, auch ein Christ, wurde als Geisel genommen. Die Forderung: Ein Lösegeld von 15 000 Dollar. „Er hatte Glück im Unglück“, sagt Dabool. Denn nach der Zahlung kam er frei. „Oft wurden die Geiseln einfach umgebracht. Und es gab sehr viele Entführungen.“

Verwandte in Deutschland

Dabool sollte keine derartige Erfahrung machen müssen. Seine Eltern empfahlen ihm, aus dem Irak zu verschwinden. Sie selber wollten nicht gehen, als angesehener Professor hängt Dabools Vater bis heute zu sehr an seinem Leben, seinem Status in Bagdad. „Sie wollen kommen, wenn sie im Ruhestand sind“. Dabool selber gelang es 2007, die Grenze zur Türkei zu überqueren.

Als illegaler Auswanderer kam er unbemerkt bis nach Athen, von dort aus über die offenen Grenzen bis nach Deutschland. Hier hatte er Cousins, Onkel, Tanten. Zunächst wohnte Dabool für zwei Monate im Auffanglager Schöppingen, nahe Münster.

Durch den Verteilungsschlüssel zur Unterbringung von Flüchtlingen gelang er dann aus Zufall nach Mülheim. Dabei hatte erl hatte Glück, sein Cousin wohnte nur wenige Kilometer von Mülheim entfernt in Essen. „Ich habe keine Nacht im Heim geschlafen“, erzählt er. Viel weiter als bis nach Essen hätte er als Asylsuchender nicht reisen dürfen.

Deutsch lernen im Heim

Sechs Monate dauerte die Bearbeitung von Dabools Asylantrag. Im Heim las er bereits viele deutsche Bücher. „Wenn man in einem anderen Land leben möchte, muss man sich integrieren. Das halte ich für ganz normal“.

Als Dabool Asyl bekam, konnte er Geld verdienen. Zunächst half er in Gaststätten aus, machte parallel verschiedene Sprach- und Integrationskurse beim Diakonischen Werk. Dort machte man ihn dann bekannt mit dem Maschinenbau-Unternehmen Norgren, wo er sich seit einem Praktikum vor vier Jahren stetig hochgearbeitet hat. Seit September 2014 ist Dabool festangestellte Vollzeitkraft bei der Firma in Alpen. Zuständig ist er für die Auswertung der Hardware von Maschinen.

Nebenbei macht Feras Dabool seinen Master in Angewandter Informatik. Seine vier Geschwister sind alle Ärzte, er ist der einzige Nicht-Mediziner. „Für mich war das einfach nichts“. Zwei seiner Geschwister leben noch im Irak, sein ältester Bruder wohnte bis vor kurzem im nordirakischen Al-Hamdaniya. Feraz Dabools gesamte Familie kommt von dort. Aber seit der „Islamische Staat“ den Norden terrorisiert, mussten sie alle flüchten. Die meisten von ihnen leben derzeit in Zelten im kurdischen Gebiet Erbil.

Feras Dabool verfolgt die aktuelle Lage im Irak mit großer Besorgnis. „Die Situation wird immer schlimmer“, sagt er. „Dorthin zurück will ich ganz sicher nicht.“ Seine neue Heimat ist Mülheim.