Mülheim. Yusuf (17) und Saeed Hassan (16) wuchsen während des Bürgerkriegs in Somalia auf. Vor zwei Jahren wurden sie von ihrem Onkel nach Mülheim gebracht. Zur Schule konnten sie in ihrer Heimat selten gehen, darum wollen sie jetzt umso mehr aus sich machen.
Sie kamen aus einem Land, in dem Anarchie herrscht. Ein Land, in dem Menschen von unberechenbaren Warlords bedroht werden, wo ganze Dörfer niedergebrannt, ausgeraubt werden. „Kein Leben, keine Regeln, keine Regierung“, fasst Yusuf Omar Hassan seine Vergangenheit in Somalia zusammen.
Aber dann, am 21. August 2012, waren Yusuf (17) und sein Bruder Saeed Ahmad (16) plötzlich in Mülheim. Ihr Onkel Darod brachte die Brüder hierhin, er selbst flüchtete vor vier Jahren aus Somalia, war dort ein erfolgreicher Unternehmer. Als er Asyl bekam, konnte er Teile seiner Familie nach Deutschland holen. Neben seinen beiden eigenen kleinen Söhnen sorgte er dafür, dass mit Yusuf und Saeed auch die zwei jüngsten seiner fünf Neffen dem Krieg entkommen konnten.
Darod hätte jeden Ort in Deutschland zum Wohnen wählen können, sagt er selbst. Aber seine Wahl fiel auf Mülheim. Bekannte hätten ihm geraten, hier mit den Kindern hinzuziehen. „Here you can find your way“, sagt Darod; hier könne man etwas aus sich machen. Mülheim ist für ihn eine Familienstadt, eine Stadt, in der man sich nicht so leicht verirrt wie in anderen Großstädten. Hier man habe wenig Ablenkung, viel Ruhe.
Und Ruhe brauchen Yusuf und Saeed viel, Ruhe zum Lernen. Wenn Gleichaltrige draußen sind, pauken die beiden oft. Denn sie verfolgen große Ziele. In ihrer Heimat konnten die beiden selten zur Schule gehen. Der Unterricht fiel oft aus, wegen blutiger Kämpfe auf der Straße. Aber jetzt sind beide in der zehnten Klasse an der Schule am Hexbachtal. Yussuf ist im Bewerbungsverfahren für eine Ausbildung bei Thyssen, Saeed will Kfz-Mechaniker werden. Nach ihren Ausbildungen wollen beide zur Uni, Ingenieurwissenschaften studieren.
Derzeit wohnen die Brüder mit ihrem Onkel in einer Wohnung in der Innenstadt. Den Rest der Familie konnte er noch nicht nach Deutschland bringen. Wo sich ihre Verwandten befinden, ob sie überhaupt noch leben, wissen Yusuf und Saeed nicht. „Wir haben keinen Kontakt, nicht mal ein Foto“, erzählen sie ganz gefasst, wie abgehärtet. Nach einem Überfall in ihrem Heimatdorf nahe der äthiopischen Grenze flüchtete ihre Familie ins Inland. Von einem ihrer Brüder wissen sie, dass er lebt, von einem anderen, dass er gestorben ist.
In Anbetracht ihrer bisherigen Strapazen war es für die Brüder kaum eine Herausforderung, sich in Mülheim zu integrieren. Nach vier Monaten beherrschten sie die Sprache bereits gut genug, um sich allein im Alltag zurechtzufinden. „Ich bin mir sicher, in Zukunft werde ich Deutschland meine Heimat nennen können“, sagt Yusuf. Selbst an die Kälte, den „wenigen jungen Leuten“ auf der Straße und die vielen Regeln hätten er und sein Bruder sich bereits gewöhnt. „Das ist alles kein Problem für uns“, sagt er. „Hauptsache es ist Frieden.“