Mülheim. . Ratsfraktionen haben den Einstieg in den Ausstieg aus dem Bahnverkehr in der Stadt beschlossen. Die MVG soll bis 2021 19,5 Millionen Euro sparen.

Mit einem Paukenschlag haben SPD und CDU am Donnerstagabend einen Etatbeschluss gefasst, der den Ausstieg aus dem schienengebundenen Nahverkehr vorzeichnet, bevor die eingesetzten Gutachter ihre Sicht auf die Kosten und rechtlichen Fallstricke eines derartigen radikalen Umbaus dargelegt haben. Mülheims Großkoalitionäre in Sachen Haushalt taten sich gestern vor der Ratssitzung allerdings schwer, ihre konkreten Sparziele für die MVG mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen.

Wieder einmal hatten SPD und CDU ihre Einigung in der Etatfrage auf den letzten Drücker ausgehandelt, so dass den übrigen Ratsfraktionen nur das Staunen bleiben konnte. Eine öffentliche Beratung in Fachausschüssen hatte es erneut nicht gegeben, die CDU stets Beratungsbedarf angemeldet. Die Einigung ist im berühmten „Hinterzimmer“ ausgehandelt worden.

Wolfgang Michels (CDU): Stahl durch Gummi ersetzen

Und da haben sich SPD und CDU nun darauf verständigt, der MVG bis zum Jahr 2021 eine strukturelle Einsparung von 19,5 Mio. Euro vorzuschreiben. Ein solches Volumen ist, so bestätigt zumindest CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Michels, nur damit zu erzielen, „Stahl durch Gummi“ zu ersetzen. Sprich: Weitere Bahnlinien aufzugeben und statt dessen Busse rollen zu lassen.

MVG soll nur noch Geld für das Nötigste ausgeben

Mit dem Sparbeschluss verbunden, fordern SPD und CDU die MVG-Geschäftsführung auf, Restrukturierungsmöglichkeiten in den Bereichen Organisation, Dienstleistungen, Lieferanten und anderes zu ermitteln und für eine Entscheidung entsprechenden Gremien vorzulegen.

Ab sofort sollen Investitions- und Sanierungsmaßnahmen aufs Nötigste beschränkt werden, damit noch einen verkehrssicheren Betrieb zu gewährleisten. Alle Maßnahmen der MVG zur Umsetzung des Nahverkehrsplanes sollen laut Michels auf den Prüfstand.

Hinter dem Stufenplan, mit dem SPD und CDU für die Jahre 2017 bis 2021 zunehmend hohe Sparziele festgeschrieben haben, steckt nach Gesprächen, die diese Zeitung gestern mit Michels und SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering führte, offenbar kein fixer Plan, welcher Linie es zu welchem Zeitpunkt an den Kragen gehen soll. Erst, so die Koalitionspartner, solle abgewartet werden, was der eingeschaltete Gutachter zum Ausstiegsszenario Ende des kommenden Jahres feststelle.

Die 19,5 Millionen Euro seien dennoch keine Fantasiezahl, so Michels. In einem Altgutachten von ­Civity, das die Beteiligungsholding einst zum Umstieg auf den Bus in Auftrag gegeben hatte, sei ein Einsparpotenzial von 12 Millionen Euro genannt. „Das“, so glaubt Michels, „ist aber nicht das Ende der Fahnenstange“.

SPD setzt weiter auf Ratsbürgerentscheid

SPD-Kollege Wiechering gab derweil frank und frei zu, den ÖPNV-Sparbeschluss in dieser Form nur mitgetragen zu haben, weil die CDU sonst keinen Etat mitgetragen hätte. „Ich sehe da noch erheblichen Diskussionsbedarf“, sagte er. Die 19,5 Millionen seien „eine sehr anspruchsvolle Zahl“. Die SPD will ihre Entscheidungen abhängig machen von den Gutachterergebnissen. Und sie hält weiter daran fest, die Bürger selbst per Ratsbürgerentscheid über die Frage „Bus statt Bahn“ entscheiden zu lassen.

Die MVG-Geschäftsführung bezog trotz frühzeitiger Anfrage am Donnerstag keine Stellung.

Bezirksregierung: Mit uns nicht zu machen

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Lakonisch reagierte die Düsseldorfer Bezirksregierung auf die Initiative der beiden großen Mülheimer Fraktionen. „Wir fänden es natürlich ganz hervorragend, wenn im Betrieb gespart würde“, sagte ein Sprecher, um gleichzeitig aber klarzustellen, dass die Aufsicht Einsparpotenziale nicht im Bus- und Bahnangebot sieht, sondern im Verwaltungsüberbau der MVG.

„Alles andere ist mit uns nicht zu machen“, wiederholte die Bezirksregierung ihren Standpunkt, dass sie nicht bereit sein wird, weiteren Streckenstilllegungen im örtlichen Schienenverkehr zuzustimmen. Im Fall der Fälle müsse Mülheim damit rechnen, dass bewilligte Fördermittel in einer Größenordnung von 250 Millionen Euro und mehr zurückgefordert würden, hatte die Behörde schon in der Vergangenheit gedroht.