Mülheim. . Die „Mannesmänner“ reagieren frustriert auf den Ausstieg Russlands aus dem Pipeline-Projekt durch Südosteuropa. Daran hängen vielleicht 1500 Arbeitsplätze. Folgeaufträge fehlen.

Zum Schichtwechsel bei Europipe fallen ein paar Schneeflocken. Der Wind weht kalt um das Hochaus an der Pilgerstraße. Und ist es sehr ruhig vor dem Werkstor. Nur wenige wollen darüber sprechen, ob sie vor Weihnachten wieder in Kurzarbeit gehen müssen. Nachdem der Russische Präsident Wladimir Putin den Bau der „Süd-Strom“-Pipeline durch Südosteuropa gestoppt hat, ist die Stimmung im Mülheimer Großrohrwerk auf den Nullpunkt gesunken. Die Verunsicherung ist groß, der Frust nagt an den Nerven.

„Die Russen haben in den letzten 45 Jahren fast immer bei uns bestellt. Das Geschäft Gas für Röhren hat stets geklappt. Wer das jetzt aufgibt, schadet seinem Land und unserem Land“, sagt ein Mann, dessen Tage im Großrohrwerk bei Europipe gezählt sind. „Ich gehe im nächsten Sommer in Rente. Aber ,Mannesmann-Röhren’ werden noch lange nach Russland geliefert – es sei denn, die EU spielt verrückt“, zeigt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, auf die Stapel weißer Röhren hinter sich.

Nach wie vor läuft in den Hallen zwischen Dümpten und Styrum die Produktion normal. Auf mehreren Gleisen stehen Flachwagen abfahrbereit, die mit den Großrohren aus der Mülheimer Produktion beladen sind. „Die gehen bald raus. Also muss der Besteller sie auch bezahlen“, stellt ein Kollege klar. „Auch ein Herr Putin kann nicht so einfach Verträge verbrennen. Das sind aber schlimme Machtspielchen, die auf dem Rücken unserer Familien ausgetragen werden. Wenn er weiter Gas nach Westeuropa verkaufen will, dann braucht er dazu Mülheimer Großrohre, die wir hier in bester Qualität produzieren.“

„Vielleicht haben wir Weihnachten länger frei.“

Die wenigen „Mannesmänner“, die gestern am trüben Nachmittag mit dieser Zeitung kurz sprechen wollen, sind frustriert und setzen auf die Firmenleitung in Salzgitter. „Der Betriebsrat hat uns über die Absage von Gazprom informiert. Aber was nun passiert, das kann keiner bisher genau sagen. Vielleicht haben wir Weihnachten länger frei“, sagt ein Vater von zwei Söhnen sarkastisch. Geschenke für die Familie habe er schon. „Aber das Sofa steht noch in der Kreide. Darum will ich weiter Rohre kloppen.“

„Vielleicht klappt das ja“, ruft ihm ein Hoffnungsträger aus dem Auto zu. „Die Russen bauen doch zwei neue Gasleitungen nach China. Wahrscheinlich nehmen sie dafür dann unsere Rohre.“ Der Glaube könnte Röhren versetzen.

An der Neustadtstraße sind die Minen ebenfalls finster: „Wenn Gazprom den Vertrag für unsere Rohrlieferungen kündigt, dann sollen sie unsere Löhne mit den Millionen bezahlen, die sie auf Schalke versenken“, spricht einer klare Worte. „Wir dürfen nicht Spielball der Weltpolitik sein.“ Dass Europipe keine anderen Aufträge mehr im Rücken habe, sei ebenfalls erschreckend.