Düsseldorf. In NRW beginnt in Kürze die größte Krankenhausreform aller Zeiten. Der Ausgang ist ungewiss. Manche warnen vor einem Kahlschlag.

Die fast 340 Krankenhäuser in NRW müssen in den kommenden Monaten mit massiven Veränderungen rechnen, die auch die Existenz vieler Abteilungen und ganzer Kliniken in Frage stellen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat am Mittwoch den Zeitplan für eine tiefgreifende Reform der Krankenhauslandschaft vorgestellt, die es in Deutschland so noch nie gegeben hat. Es wird jetzt also ernst für Patienten, Klinikleitungen, Mediziner und Pflegende.

Worum geht es?

Im Kern um das Ende des „ruinösen Wettbewerbs“ der Kliniken in NRW untereinander. In dem bisherigen System gilt der Patient als Wirtschaftsfaktor und zählt die Zahl der Planbetten. Dieser „Wahnsinn“ müsse aufhören, so die Landesregierung. Minister Laumann sagt es so: „Das System muss für die Menschen da sein und nicht die Menschen für das System.“ Er gesteht aber ein, dass er angesichts dieser Mega-Reform „Manschetten“ habe. Diese große Operation an den Krankenhäusern ist eine mit ungewissem Ausgang.

Der bisherige Wettbewerb soll ersetzt werden durch die bestmögliche Versorgung der Bürger in allen 16 so genannten „Versorgungsgebieten“ in NRW. Eines dieser Gebiete umfasst zum Beispiel die Städte Bochum, Dortmund und Herne, ein weiteres Gelsenkirchen, Bottrop und den Kreis Recklinghausen. Die Kliniken in einer Region müssen sich künftig auf bestimmte Leistungen konzentrieren, zum Beispiel auf Transplantationen, auf die Versorgung nach Schlaganfällen oder auf Knieoperationen. Die Idee, dass alle alles anbieten, sei nicht mehr zeitgemäß.

Wird der Weg zur Klinik länger?

Das kommt darauf an, welche Krankheit man hat. Bestimmte Angebote des „Brot- und Buttergeschäfts“, das sehr viele Menschen benötigen – Innere Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin - soll es „wohnortnah“ geben. Das heißt, sie müssen für „90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in NRW innerhalb von 20 Pkw-Fahrzeitminuten“ erreichbar sein.

Droht ein Klinik-Kahlschlag?

Schwer zu sagen. Laut der Krankenhausgesellschaft NRW ist diese Frage noch nicht zu beantworten. Prognose: Einige Kliniken und viele Abteilungen dürften den Umbau nicht überleben. Ein Indiz: Der Krankenhausplan sieht vor, dass bei (hoch-) spezialisierten Leistungen „größere Entfernungen akzeptiert werden können“. Das können komplizierte Eingriffe bei Krebs oder Herzerkrankungen sein. Besonders häufige Operationen wie „Knie“ und „Hüfte“ sollen weiter vielerorts angeboten werden. Es dürfte regional jedenfalls zu zahlreichen Klinikfusionen kommen. Wichtig: Die Freiheit der Bürger, sich eine Klinik auszusuchen, wird nicht angetastet, versichert die Landesregierung.

Wie ist der Zeitplan?

„Wenn wir in zwei Jahren mit der Krankenhausplanung durch sind, dann ist es gut gelaufen“, erklärt Minister Laumann. Die Kliniken haben bis Mitte Oktober Zeit, sich auf die Verhandlungen mit den Krankenkassen über die regionale Krankenhausversorgung vorzubereiten. Die Kliniken legen den Bezirksregierungen Konzepte vor, wie sie ihre Rolle in einer Region sehen. Die eigentlichen Verhandlungen mit den Krankenkassen beginnen Mitte November und dauern sechs Monate. Im besten Fall sind sich in einer Region alle einig – Kliniken, Krankenkassen, Krankenhausgesellschaft, Ärztekammern und die künftige Pflegekammer. Am Ende entscheidet das Gesundheitsministerium.

Was sagen die Betroffenen?

Viele Klinikleitungen, Mediziner, Versicherer und die sich in der Gründungsphase befindende Pflegekammer NRW sind sich darüber einig, dass diese Krankenhausreform im Grunde eine gute Sache ist. Aber die Angst, dass sie scheitert, ist groß. Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, sagt zum Beispiel, dass die Reform nur gelingen könne, wenn das Land NRW dafür großzügig in die eigene Kasse greife. Die Gesellschaft fordert einen „mindestens mit zwei Milliarden Euro ausgestatteten Krankenhausstrukturfonds für die kommenden fünf Jahre“. Auch Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, warnt: Ohne entsprechende Investitionen des Landes werde der Umbau der Krankenhauslandschaft nicht funktionieren.

Die Beteiligten legen auch deshalb großen Wert auf eine NRW-eigene Krankenhausreform, weil sie befürchten, anderenfalls mit Vorgaben konfrontiert zu werden, die „in Berlin am grünen Tisch“ entstehen.

Was sagt die Opposition?

Lisa-Kristin Kapteinat, SPD-Fraktionsvize im Landtag, nennt den Krankenhausplan einen „Leitfaden für Klinikschließungen“. Ein unverantwortlicher Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft sei vorprogrammiert, und das Land NRW drücke sich um die finanzielle Unterstützung der Kliniken herum. „Um die neuen Qualitätskriterien und Anforderungen zu erfüllen, müssen die Kliniken jetzt massiv in einen Umstrukturierungsprozess investieren. Dafür braucht es Geld, das insbesondere kleinere Häuser aber nicht haben und das vom Land auch nicht zur Verfügung gestellt wird“, so Kapteinat.